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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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auf, das ihm Miranda geschenkt hatte. Er jubelte über die Pralinenauswahl, die ihm Maggie aus New York geschickt hatte.
    Als sie sich an den Tisch setzten, machte er eine Flasche teuren Champagners auf, eine weitere Juli-Weihnachtstradition. Sie ließen ihre Kracher knallen, trugen ihre Papierhüte und erzählten sich ihre üblichen Witze. Miranda schilderte eine lustige Anekdote von der Arbeit, hatte aber nicht ganz die Aufmerksamkeit, die sie sich wohl gewünscht hatte. Leo lachte als Einziger. Juliet war mit den Essensvorbereitungen beschäftigt, trug Platten herein und lehnte alle Hilfsangebote ab. Clementine tat so, als würde sie zuhören, aber Maggie konnte an ihrem Gesichtsausdruck sehen, dass sie in Gedanken weit weg war, vermutlich in der Antarktis. Eliza lächelte nicht einmal, sie sah Miranda nur mit ausdrucksloser Miene an. Gabriel filmte. Leo hatte ihn gebeten, einige Minuten des gemeinsamen Essens auf Film zu bannen.
    Neben dem Überreichen der Geschenke und dem Erzählen der Witze gab es noch eine Vielzahl anderer Rituale. Sie hatten sich im Laufe der Jahre auf Leos Drängen hin eingespielt. Der Toast auf Tessa. Der Toast auf Sadie. Dabei sah Maggie zu Leo. Sie wusste, was er dachte. Vielleicht würde Sadie das nächste Mal, wenn sie auf ihr Wohl anstießen, dabei sein.
    Juliets Essen war wie immer wunderbar. Auf dem langen Tisch standen perfekt zubereitete thailändische Gerichte: milde Teigtaschen mit Currysauce, scharfe Fleischsalate, farbige, würzige Currys; frischer Koriander, Knoblauch, Limone und Chili dufteten. Während die Platten herumgereicht wurden, unterhielt Leo sie alle mit skurrilen Fakten über Thailand. Eine weitere Tradition im Rahmen ihrer multikulturellen Weihnachtsfeste.
    Das letzte Ritual vor dem Dessert aus Klebreis mit Mango und Kokosnuss war die Wunschrunde, bei der sich jedes Mitglied der Familie etwas für das kommende Jahr wünschte. Maggie hatte plötzlich das Gefühl, inmitten von Schauspielern zu sitzen, die eine Rolle spielten und Sätze rezitierten, die schon vor langer Zeit ihren Sinn verloren hatten.
    Aber wer spielte welche Rolle? Miranda spielte wie immer die Flachsige, Sarkastische mit der scharfen Zunge. Sie wirkte, zumindest an der Oberfläche, von allen am unabhängigsten. Juliet – ständig auf den Beinen, kochte, bediente, räumte ab. Vielleicht hasste sie diese Rolle, aber sie erlaubte niemandem, ihr zu helfen. Maggie hatte den Versuch vor langer Zeit aufgegeben. Eliza war wie immer die Reservierte, hielt sich zurück. Sie sprach nur, wenn sie angesprochen wurde, und auch nur allgemein über ihre Arbeit, ohne ins Detail zu gehen. Und Clementine? Maggie sah zu ihrer Mutter. Sie unterhielt sich mit Leo, schilderte ihm lebhaft, worum es bei ihrem neuesten Forschungsprojekt in der Antarktis ging, und sonnte sich in Leos Aufmerksamkeit und Stolz. Maggie war immer davon überzeugt gewesen, dass es in Clementines Leben nur zwei große Lieben gab: die Arbeit und eben Maggie. Aber hatte Clementine vielleicht mehr gewollt? Ein anderes Leben? Eines, das ihr verwehrt geblieben war, weil sie Maggie bekommen hatte?
    Und Sadie? Die abwesende und doch so präsente Sadie. Wenn sie in ihrer Mitte gewesen wäre, wie wäre der Abend dann verlaufen?
    »Maggie?«
    Alle sahen sie an.
    »Du bist an der Reihe.«
    »Womit?«
    »Mit deinem Wunsch für das kommende Jahr.«
    »Entschuldigt bitte. Ich war ganz in Gedanken. Du zuerst, Gabriel. Dann mache ich weiter.«
    Gabriel stand wieder hinter der Kamera. »Ich arbeite. Und ich gehöre nicht zur Familie. Ich würde lieber auf meinem Beobachtungsposten bleiben, wenn ihr nichts dagegen habt.«
    »Du gehörst doch fast zur Familie«, sagte Juliet.
    »Na los, Gabriel«, sagte Miranda. »Nur ein kleiner Wunsch.«
    Er schwieg einen Moment, dann erhob er sein Glas. »Ich wünsche allen hier, dass sie Wahrheit und Glück finden.«
    »Auf Wahrheit und Glück«, echoten die Faradays und erhoben ebenfalls ihre Gläser.
    »Maggie?«, fragte Leo.
    »Ich schließe mich dem an.«
    »Ach, nun komm schon, Maggie«, sagte Miranda. »Nur weil du verlobt bist, heißt das doch nicht, dass du nicht mehr selbstständig denken darfst.«
    »Ich folge Gabriel nicht. Ich wünsche mir wirklich dasselbe. Wahrheit und Glück.«
    Sie brachten den Trinkspruch ein zweites Mal aus.

39
    Maggie war schon auf den Beinen, als der Kurier kam. Sie hatte fast die ganze Nacht lang wach gelegen.
    Als sie beinahe eingeschlafen war, war die erste Besucherin in ihrem Zimmer

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