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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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außer Sichtweite war.

    Gabriel verließ den Wagen erst, als Sadie fort war. Maggie ging auf ihn zu. Es erschien vollkommen selbstverständlich, dass er die Arme ausbreitete und Maggie umarmte. Es war so schön, ihm nahe zu sein, von ihm gehalten zu werden, seine Brust an ihrer Wange zu spüren, seinen Geruch einzuatmen. Maggie wollte nie mehr fort.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie löste sich widerstrebend aus seinen Armen und nickte.
    »Ich bin so froh, dass ich sie gesehen habe.«
    »Und sie will nicht mit nach Donegal kommen und die anderen treffen?«
    »Nein. Sie zieht es nicht einmal in Erwägung.«
    Gabriel fragte nicht nach dem Grund. Maggie war dankbar für sein Verständnis. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken, ehe sie darüber sprechen konnte.
    »Was wirst du Leo sagen?«
    »Ich kann ihm nichts sagen. Sadie will es nicht. Ich musste es ihr versprechen.«
    »Nicht einmal eine Nachricht?«
    »Nichts.«
    »Aber er hat doch das Foto.«
    »Ich muss ihm sagen, dass sie es nicht ist. Auch darum hat sie mich gebeten.«
    »Aber Leo …«
    »Ich weiß. Was soll ich tun?« Sie steckte in einem großen Dilemma, hin-und hergerissen zwischen einem Versprechen und einer Lüge. Wenn sie sich an ihr Versprechen Sadie gegenüber hielt, müsste sie Leo belügen. Wenn sie Leo gegenüber ehrlich war, würde sie Sadie gegenüber wortbrüchig. Außerdem würde Leo es nicht dabei belassen. Es würde ihm nicht genügen zu wissen, dass es Sadie gut ging. Er würde nach Dublin fahren. Das Ganze war unglaublich vertrackt.
    Maggie konnte nur eines sicher sagen. »Ich wünschte, wir hätten sie nicht gefunden, Gabriel. Dass Leo dieses Foto niemals gesehen und nie nach ihr gesucht hätte. Ich wünschte, ich wäre nicht hergekommen. Aber was bleibt mir jetzt anderes übrig, als ihn zu belügen und zu sagen, dass wir uns geirrt haben? Die Wahrheit würde ihm das Herz brechen. Zu wissen, dass sie es ist und ich mit ihr gesprochen habe, sie ihn aber nicht sehen und nichts mit uns zu tun haben will. Dass Bill nicht ihr Vater ist, ist die einzig gute Nachricht, die ich für Leo habe. Dass ich die Tagebücher alle gelesen habe und das mit Gewissheit sagen kann.«
    »Aber das ist doch wenigstens etwas, oder? Das wird ihm doch ein wenig Seelenfrieden gewähren?«
    »Nein, wird es nicht, begreifst du denn nicht? Wenn er das hört, wird er die Tagebücher lesen wollen. Weil das, was er am meisten fürchtet, nicht in ihnen steht. Und dann? Dann liest er all die Scheußlichkeiten, die Tessa über ihn geschrieben hat. Wie sie ihr Leben wirklich gesehen hat, wie sehr sie sich mit Leo gelangweilt hat, was sie über Hobart gedacht hat. All die schrecklichen Dinge, die sie über Sadie gesagt hat. Er leidet ja schon genug darunter, dass Sadie fort ist. Die Wahrheit über Tessa würde ihn umbringen.«
    Gabriel schwieg eine Weile. »Es läuft alles auf die Tagebücher hinaus, oder?«
    Maggie dachte nach. Er hatte recht. All das wäre niemals passiert, wenn Tessa sie nicht geschrieben oder Leo sie verbrannt hätte. Wenn Sadie sie nicht gefunden hätte. Wenn sie selbst sie nicht gelesen hätte und nun ein Wissen mit sich herumschleppen müsste, das in ihr gärte und von dem sie lieber keine Kenntnis hätte. »Ich kann das nicht tun, Gabriel. Ich kann sie ihm nicht geben und sagen: ›Tut mir leid, es war nicht Sadie, aber hier, lies mal.‹«
    »Was aber kannst du ihm sagen? Dass du sie getroffen hast? Das geht nicht, das hast du Sadie versprochen.«
    »Ich kann das Versprechen nicht brechen. Aber ich muss ihm die Tagebücher ja nicht zurückgeben.«
    »Doch, das musst du. Er hat sie so viele Jahre aufbewahrt. Was würdest du denn mit ihnen machen?«
    Maggie sah sich verstört und aufgewühlt um. »Am liebsten würde ich sie vernichten. Hier und jetzt. Sie loswerden. Sie aus meiner Familie, aus unserem Leben entfernen.«
    »Das steht dir nicht zu, Maggie, sie gehören dir nicht.«
    »Wem denn? Es waren Tessas. Und sie hat Leo gebeten, sie zu verbrennen, und er hat es nicht getan. Streng genommen gehören sie ihm damit nicht mehr und nicht weniger als mir, oder? Im Grunde gehören sie niemandem.«
    »Die Entscheidung musst du Leo überlassen.«
    »Aber das kann ich nicht, Gabriel, verstehst du denn nicht? Selbst wenn er sich entscheidet, sie nicht zu lesen, was dann? Dann wird er sie wieder verstecken. Und wenn er eines Tages stirbt, wer findet sie dann? Miranda? Juliet? Meine Mutter? Eliza? Sie wären außer sich vor Wut, weil er sie all die Jahre belogen hat. Sie

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