Die Toechter der Familie Faraday
und konnte mit ihren Bauklötzen auch schon kleine Türme bauen.
Es überraschte Sadie immer wieder, wie faszinierend Maggie war. Als sie mit Clementine aus dem Krankenhaus gekommen war, hatte sie nur geschlafen, getrunken und in ihre Windeln gemacht. In den letzten Monaten aber war sie zu etwas geworden. Zu jemand geworden. Sadie war hingerissen. Sie hatte das ihren Schwestern gegenüber nicht zugegeben, aber ihr war niemals richtig bewusst gewesen, dass Maggie eine eigenständige Person sein würde, sogar schon als Baby eine eigene Persönlichkeit haben würde. Doch das hatte sie. Ihre dunklen Augen konnten voller Lachen sein, besonders wenn Sadie einen lustigen Tanz für sie aufführte. Aber sie konnte auch unglaublich gelangweilt aussehen. Verärgert. Neugierig. Genau wie alle anderen menschlichen Wesen. Sadie hörte Miranda im Geiste spotten: »Natürlich benimmt sie sich wie alle anderen menschlichen Wesen, Sadie. Weil sie ein menschliches Wesen ist.«
Sadie hatte nicht erwartet, dass sie ihre Nichte so betörend finden würde. Eine Fünfjährige, ja. Einen Teenager, natürlich. Aber ein Baby? Das hatte sie mehr als angenehm überrascht. So machte es ihr überhaupt nichts mehr aus, wenn Clementine sie bat, nach Maggie zu sehen, damit sie selbst ein wenig Schlaf nachholen, sich mit einer Freundin treffen oder für wenige Stunden so etwas wie das normale Leben eines Teenagers führen konnte. Sadie bot sich immer häufiger als Babysitterin an, und zu ihrer Freude akzeptierte Clementine jedes Mal. Sadie spielte mit ihrer Nichte oder hielt sie beim Fernsehen im Arm. Sie liebte es, Maggies warmes, schweres Gewicht zu spüren, dem sanften Rhythmus ihres Atems zu lauschen. Sie las ihr sogar vor, obwohl Miranda immer wieder sagte, das wäre albern, aber Maggie reagierte auf die Geschichten und Farben, da war sich Sadie sicher.
Sadie biss ihrer Nichte auch gerne sanft in ihre kleinen dicken Fingerchen. Außerdem roch sie so gut, wenn sie frisch gebadet war. Sah so niedlich in ihren Anzügen aus. Dann waren da ihre dunklen Wimpern, ihre samtig weiche Haut. Alles an Maggie war irgendwie so vollkommen.
Sadie ließ sich in ihrer Lieblingsecke nieder. Sie war zum ersten Mal seit vierzehn Tagen wieder in der Bibliothek, und großartige neue Zeitschriften waren eingetroffen, voller faszinierender Artikel. Wenn sie die alle gründlich gelesen hätte, würde sie sich in der Abteilung für Kinderbücher ein Stockwerk höher umsehen. Es war an der Zeit, dass Maggie von Bilderbüchern aus Hartkarton, die sie bislang für sie ausgeliehen hatte, zu richtigen Büchern überging.
Als sie in ihren Beutel griff, um ihren Bibliotheksausweis hervorzuholen, stießen ihre Finger an etwas Hartes. Es war eine kleine Flasche. Eine violette Flasche.
Ihr prustendes Lachen veranlasste die Bibliothekarin zu einem strafenden Blick.
Juliet hatte vor vielen Jahren gelernt, dass ein regelmäßiger Turnus unabdingbar war, wenn sie die Familie bekochen sollte. Mochten sich die anderen doch über ihre Planung beschweren. Wenn es ihnen zu fad wurde, konnten sie sich gerne selbst an den Herd stellen. Besonders, da im Café gerade so viel zu tun war. Die Stottingtons hatten ständig neue Ideen und Rezeptvorschläge. Dafür, dass sie kurz vor der Pensionierung standen, hatten sie immer noch einen tollen Riecher fürs Geschäft – Juliet lernte viel von ihnen. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass sie irgendetwas mit ihr vorhatten. Ihre Familie sollte sich lieber vorsehen. Sonst käme der Tag, an dem sie keine Zeit mehr hatte zu kochen.
Donnerstags gab es immer Pasta. Manchmal experimentierte Juliet mit der Sauce – dann gab es sahnige Pilz-, würzige Schinken-oder Tomatensauce -, meistens jedoch bestand die Abwechslung in der Nudelart. Lange Spaghetti, kleine Muschelnudeln oder manchmal auch dicke Tagliatelle. Im Jahr zuvor hatte sie in einem Haushaltswarengeschäft den perfekten Vorratstopf aus Keramik entdeckt. Es passten genügend Nudeln für drei Mahlzeiten hinein, und er hatte einen ausgeklügelten Messring für Spaghetti im Deckel. Sie holte den Topf aus dem Schrank. Sie hatte schon auf das Notizbrett geschaut. Zum Essen würden alle zu Hause sein. Die Spaghetti reichten bestimmt, so schwer, wie sich der Topf anfühlte. Sie nahm den Deckel ab, setzte den Messring auf und schüttete die Nudeln heraus. Dabei fiel noch etwas anderes laut scheppernd auf den Tisch. Etwas Violettes. Etwas aus Glas.
Sie fing an zu lachen. »O nein, das glaub ich
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