Die Toechter der Familie Faraday
Ferienhauses einbogen.
»Ich mache mir Sorgen um Clementine«, sagte Juliet einige Tage später. Das Wetter war durchwachsen, morgens regnete es, nachmittags schien die Sonne. Sie hatten die meiste Zeit gefaulenzt und gelesen. Maggie war ihrer aller Spielkind. Juliet war aufgefallen, dass Clementine sie immer häufiger bei ihnen ließ. Sie hatte gesagt, sie müsste lernen, aber ihre Bücher waren unberührt. »Ich glaube, sie ist ein wenig depressiv.«
»Bei depressiv bin ich mir nicht sicher, aber sauber ist sie in jedem Fall«, sagte Miranda.
»Was meinst du denn damit?«
»Ist dir nicht aufgefallen, dass sie neuerdings zweimal täglich duscht? Und das nicht erst, seit wir hier sind. Sie bleibt fast eine Stunde im Bad. Letzte Woche hat sie mich gebeten, kurz auf Maggie aufzupassen, weil sie in die Dusche hüpfen wollte, aber das hat ewig gedauert. Ich bin ihretwegen zu spät zur Arbeit gekommen.«
Eliza mischte sich ein. »Das hat sie mit mir auch gemacht.«
»Es ist eben schwer für sie«, sagte Juliet.
»Es ist für uns alle schwer«, sagte Eliza. »Aber beschwere ich mich vielleicht?«
»Nein, aber du bietest auch keine Hilfe an. Sie hat nichts gesagt, aber ich habe den Eindruck, dass sie ihr Studium vernachlässigt«, sagte Juliet.
»Dann hätte sie sich nicht einschreiben dürfen. Oder sie hätte darüber nachdenken sollen, bevor sie schwanger wurde.«
Miranda schnaubte. »Da spricht Eliza Faraday mit ihrer moralischen Überlegenheit. Wie großherzig von dir, vom Olymp herabzusteigen und deine weisen Worte an uns zu richten.«
»Ich urteile ja nicht. Ich bin nur realistisch. Wenn ich mir einen Muskel zerre und deshalb bei einem Lauf nicht mitmachen kann, kann ich ja auch niemand anders dafür verantwortlich machen. Es ist allein meine Schuld.«
»Danke für diesen bewegenden Einblick in deine Sportlerseele, Eliza, aber was hat das mit Clementine und Maggie zu tun?«
»Sie muss selbst damit fertig werden. Wir können schließlich nicht immer zur Stelle sein, um ihr zu helfen.«
Juliet war schockiert. »Sie ist unsere kleine Schwester, Eliza.«
»Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass Maggie unsere Nichte ist.« Sie setzte eine trotzige Miene auf. »Aber tut mir leid, irgendjemand muss auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Wir können doch jetzt nicht alle Vollzeitmütter werden, nur weil Clementine unbedingt ein Baby haben wollte.«
»Sie wollte überhaupt nicht unbedingt ein Baby haben.« Juliet wurde wütend. »Gott, Eliza, was ist denn in dich …«
Sadie fiel ihr ins Wort. »Ich helfe gerne mehr. Ich übernehme Elizas Pflichten. Mir macht das nichts aus. Ich finde Maggie großartig.«
»Ich finde sie ja auch großartig.« Eliza geriet außer sich. »Ich schlage ja auch nicht vor, dass wir sie in einem Waisenhaus abliefern. Ich meine doch nur, dass Clementine selbst einen Weg aus diesem Schlamassel finden muss.«
»Ich habe eine Idee.«
Alle Blicke waren auf Sadie gerichtet.
»Warum werde ich nicht Teilzeit-Nanny? Ich kann meine Vorlesungen darum herumbauen. Ein oder zwei Seminare verschieben. Mein Studium ist doch ganz anders organisiert als Clementines. Ich muss nicht ständig forschen.« Im Moment musste Clementine den Einfluss von Luftschadstoffen auf die Seevögel Tasmaniens untersuchen. »Die Wissenschaft wird es verkraften, noch ein wenig auf meine Ansichten zu Jane Austens Gebrauch der Metapher zu warten. Dann hätte ich jede Menge Zeit. Ich würde mich gerne mehr um Maggie kümmern.«
»Wirklich?«, sagte Eliza. »Gegen Geld oder umsonst?«
»Ich mache es umsonst. Uns geht es finanziell doch ganz gut, oder? Wir können das ja mal ein Jahr lang ausprobieren. Und je älter Maggie wird, umso einfacher wird es doch, vor allem, wenn sie erst einmal in den Kindergarten oder die Schule kommt.«
»Warum tust du dir das an? Warum meldet sich jemand freiwillig dafür, auf dem Fußboden herumzukriechen und Bauklötze aufzusammeln oder stinkende Baumwollwindeln zu wechseln?«
»Aus Großherzigkeit, Miranda?«, sagte Juliet. »Falls dir das überhaupt ein Begriff ist.«
Miranda blätterte lässig eine Seite in ihrer Zeitschrift um.
Anfangs hatte Clementine protestiert. Sadies Angebot wäre zu großzügig. Sie bekäme ein schlechtes Gewissen, wenn sie Maggie so oft allein lassen würde. Sie würde sie ja nicht dauerhaft abgeben, sondern nur einige Stunden täglich, hatte Sadie erwidert. Das war einfach zu viel verlangt, hatte Clementine gesagt. Aber ich würde es wirklich gerne tun,
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