Die Toechter der Familie Faraday
Arbeitszeit bei ihrer Putzstelle geändert. Sie hatte vor zwei Monaten auf eine Zeitungsanzeige geantwortet, weil sie unter ständigem Geldmangel litt. Leo gab ihr zwar etwas, weil sie auf Maggie aufpasste, und verzichtete auf das Kostgeld, aber wegen der vielen kleinen Geschenke für Maggie musste sie dazuverdienen. Den Hausbesitzern war es egal, wann sie arbeitete, solange die Arbeit erledigt wurde. Wenn Clementine nach Hause kam, ging Sadie putzen. Und wenn Clementine annahm, dass sie dann ihre Vorlesungen besuchte – was konnte Sadie dafür?
Vor Kurzem hatte Sadie gelesen, wie wichtig soziale Kontakte für Kinder im Vorschulalter wären. Ideal wäre es, wenn sich die Kinder an einigen Vormittagen in der Woche begegneten, hatte es in dem Artikel geheißen. Als Sadie eines Nachmittags in der Bibliothek durch die Zeitungen geblättert hatte, war sie auf die Wochenzeitung von Sorell gestoßen, einer Kleinstadt sechzehn Meilen östlich von Hobart. Ihr war eine Anzeige ins Auge gesprungen: An alle nichtberufstätigen Mütter – ist Ihr Kind fünf oder jünger? Suchen Sie nach einer Abwechslung vom Alltag? Möchten Sie sich mit anderen Müttern austauschen?
Sadie hatte noch am selben Tag von einer Telefonzelle aus angerufen. Eine freundliche Frau war an den Apparat gegangen und hatte sie mit Informationen förmlich bombardiert. Es wäre eine zwanglose Runde, es ginge um Geselligkeit und gegenseitigen Rat und besonders darum, dass die Kinder eine Gelegenheit hatten, mit Gleichaltrigen zu spielen.
»Freitag findet unser erstes Treffen statt. Warum kommen Sie nicht einfach vorbei? Ich gebe Ihnen die Adresse.« Die Frau quatschte immer weiter. »Dann lernen wir Sie und Ihre Tochter ja bald kennen. Sally, richtig? Und Maddie, vier Jahre. Ich notiere mir das gerade. Wunderbar, ich freue mich auf Sie!«
Sie hatte aufgelegt, noch bevor Sadie ihr erklären konnte, dass sie Sadie und nicht Sally hieß und Maggie, nicht Maddie, ihre Nichte und nicht ihre Tochter war. Zwei Tage später, in Sorell, ergab sich auch keine Gelegenheit. Sie bog in Leos Wagen um zehn Uhr in die Einfahrt ein, gleichzeitig mit drei anderen Autos. Die Mütter von Sorell waren pünktlich. Maggie war anfangs ein wenig schüchtern und klammerte sich an Sadie, bis ihr ein anderes Mädchen in ihrem Alter einfach eine stark in Mitleidenschaft gezogene Puppe entgegenhielt und Maggie sie ebenso wortlos ergriff. Fünf Minuten später waren die beiden in ein Spiel vertieft, während Sadie problemlos eine Unterhaltung mit den anderen Müttern anfing. Es war eine große Erleichterung zu hören, dass ihre Kinder sich auch beim Essen anstellten und nicht immer zur richtigen Zeit schlafen wollten. Niemand fragte Sadie, wo sie wohnte oder ob sie verheiratet war. Das Gespräch drehte sich nur um die Kinder, mit einem kleinen Abstecher zu Fernsehshows und Mode.
Das meiste davon erzählte sie Clementine. Dass sie mit Maggie jetzt zu einer wöchentlichen Spielgruppe fuhr. Dass es ihr dort zu gefallen schien.
»Sind die anderen Kinder nett, Maggie?«, fragte Clementine und strich Maggie das Haar über die Ohren. Sadie juckte es in den Fingern, es wieder zu zerzausen. Sie mochte es, wenn man Maggies Ohren sehen konnte.
Maggie holte tief Luft und erzählte Clementine von all ihren Erlebnissen. »Wir sind im Auto gefahren und dann ist eine andere Frau gekommen und die hatte ein kleines Mädchen und da war eine blaue Puppe und da hab ich mit gespielt und dann hat der Junge sie gehauen da haben wir sie in den Baum gesetzt und dann haben wir Äpfel gegessen und dann sind wir nach Hause gefahren.«
Clementine und Sadie lachten gemeinsam. Sadie hatte ihr eigentlich sagen wollen, dass die Gruppe in Sorell war und die anderen Mütter peinlicherweise angenommen hatten, Maggie wäre ihre Tochter, und nicht nur das, dass sie sie auch noch Sally und Maddie nannten, aber die Gelegenheit war verstrichen. Ebenso wie die Gelegenheit, die anderen Mütter auf ihren Irrtum hinzuweisen.
Als Maggie sie vor allen Sadie genannt hatte, konnte sie die Situation gerade noch retten. Sie hatte erklärt, Maggie könnte Sally nicht richtig aussprechen. Außerdem nannte Maddie sich selbst manchmal Maggie. Ist es nicht komisch, wie Kinder Buchstaben verdrehen?, hatte sie gemeint und erzählt, dass Maddie ihren Großvater Tollpatsch nannte. Das war bei dem Versuch herausgekommen, Großpapa zu sagen.
»Tollpatsch? Ist ja köstlich«, hatte eine der Frauen gesagt. »Aber macht es Ihnen nichts aus, dass
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