Die Toechter der Familie Faraday
ihr gesamtes Spielzeug im Wohnzimmer aufgereiht – Puppen, Autos, Stofftiere. Dann war sie, als würde sie eine Parade abnehmen, wie Sadie später sagte, daran vorbeigegangen, hatte jedes einzelne Teil berührt und laut gezählt. Sie war bis neunundzwanzig gekommen.
»Neunundzwanzig!«, hatte Sadie später Leo und ihren Schwestern berichtet. »Sie ist ein Wunderkind, meint ihr nicht?«
Miranda war beeindruckt. »Entweder das, oder sie hat zu viel Spielzeug. Clementine, hast du sie vielleicht in einen Schnellkurs geschmuggelt?«
»Selbstverständlich habe ich ihr das Zählen beigebracht.« Clementine hatte zugesehen, wie Maggie ihren Zahlentrick für sie alle wiederholte. »Sie kommt schließlich übernächstes Jahr in die Schule, da kann ich sie doch nicht völlig ahnungslos hinschicken.«
»Ich habe es ihr auch beigebracht«, hatte Sadie eingeworfen. Sie hatte Maggie während der vergangenen beiden Monate gezeigt, wie man zählte. In der festen Überzeugung, dass sie es eines Tages begreifen würde.
»Es ist kein Wunder, dass sie ihrem Alter voraus ist«, hatte Clementine ergänzt. »Ich lese ihr ja schließlich jeden Abend vor dem Schlafengehen vor.«
»Aber was denn? Deine Aufsätze über die bedrohte Vogelwelt auf den Inseln Tasmaniens?«, hatte Miranda gefragt. »Kein Wunder, dass das arme Kind um sieben Uhr einschläft.«
»Wenn ich darüber nachdenke, in all ihren Lieblingsbüchern geht es um Zahlen«, hatte Sadie beflissen gesagt. » Goldlöckchen und die Drei Bären, Fünf Kleine Entchen. Aber ich hab ihr auch Bücher über Farben und Buchstaben vorgelesen. Sie wird auch bald lesen, ihr werdet schon sehen.«
Während der folgenden Monate drehte sich alles um Zahlen. Leo gab ihr magnetisierte Zahlen, die auf dem Kühlschrank hafteten. Miranda schenkte ihr nummerierte Bausteine. Sadie kaufte ihr eine Tafel, auf der Ziffern aufgemalt waren. Eliza einen Beutel Zahlen aus Gummi, die in der Badewanne schwammen. Juliet besorgte ihr Keksförmchen und machte ihr jede Woche ein Blech Zahlenkekse.
Jeden Abend legte sich Clementine nach dem Essen mit Maggie auf die Couch und zählte mit ihr an den Fingern ab. »Wie viel sind deine Finger plus all meine Finger, Maggie?«
»Zwanzig«, sagte Maggie.
»Wenn ich die Finger und die Finger hier addiere? Drei plus vier plus zwei. Wie viele Finger sind das?«
»Neun Finger.«
»Und wenn ich drei Finger von zehn Fingern wegnehme?«
»Sieben Finger.«
Sadie erfand Zahlenspiele, wenn sie beide allein waren. Bald schon konnte Maggie einfache Additionen im Kopf durchführen, ohne dass man ihr die Finger hinhalten musste. Sie wurde zur Familien-Attraktion. Miranda taufte sie Maggie, die Magische Rechenmaschine. Sie warfen ihr Additionen und Subtraktionen hin, als wären es Leckerlis für einen Hund.
»Neun plus eins«, sagte Juliet, während sie das Essen vorbereitete oder den Fußboden putzte und Maggie ihre Küchenhilfe spielte.
»Zehn. Frag mich noch was.«
»Acht dividiert durch zwei.«
»Vier. Noch was.«
»In ihrem Alter wusste ich nicht einmal, was das Wort ›dividiert‹ bedeutet«, sagte Miranda.
Leo war entzückt. Das hatte sie von seiner Familie, beharrte er, bis Clementine ihn vorsichtig daran erinnerte, dass David, Maggies Vater, sein Diplom in Angewandter Mathematik und Physik gemacht hatte. »Na schön, er hat auch etwas damit zu tun, das gebe ich gerne zu, aber wenn du mich fragst, handelt es sich hier um einen Fall von Erziehung gegen Erbgut. Maggie mag ja mit der Anlage zu mathematischem Genie auf die Welt gekommen sein, aber wir haben sie erst zu wahrer, prachtvoller Entfaltung gebracht.«
David kam jedes Jahr, wenn er in Hobart war. Für ihn waren die Besuche genauso unangenehm wie für alle, die davon Zeuge wurden. Er wusste nicht, wie er sich in Maggies Gegenwart verhalten sollte. Maggie hatte ihm auch nie besonders viel Beachtung geschenkt. Sie hatte keine Angst vor ihm – Clementine hatte ihr Fotos gezeigt und von ihm erzählt -, aber sie hatte einfach kein Interesse an ihm. Im vergangenen Jahr hatte sie bei seinem Eintreffen einfach weiter mit ihrem Puppenhaus gespielt.
»Maggie«, hatte Clementine gesagt, »sag David Hallo, deinem Dad.«
Maggie hatte ihn nur lange angeschaut und ihm dann feierlich einen schwarzen Bauklotz gegeben. Clementine erzählte den anderen später, dass er ihn eingesteckt hatte. Das hatte sie sehr gerührt.
Er schickte jedes Jahr Geburtstagsgeschenke, selbst wenn es offensichtlich Spontankäufe in letzter
Weitere Kostenlose Bücher