Die Toechter der Kaelte
störte ihn auf. »Patrik Hedström.«
»Hallo, hier ist Lars Karlfors von der Göteborger Polizei.«
»Ja?« Der Mann hörte sich an, als sollte Patrik wissen, mit wem er es zu tun hatte, aber er konnte sich nicht erinnern, den Namen schon einmal gehört zu haben. Noch viel weniger wußte er, um was es hier ging.
»Wir haben euch doch Informationen über eine derzeit laufende Angelegenheit geschickt. Das sollte dir zugestellt werden, soviel ich verstanden habe.«
»Ach so? Ich kann mich so aus dem Stegreif nicht erinnern, daß ich irgendeine Angelegenheit aus Göteborg auf dem Tisch hatte. Wann soll das gewesen sein, und worum ging es?«
»Ich habe vor über drei Wochen mit euch Kontakt aufgenommen. Ich arbeite beim Dezernat für Kindesmißbrauch, und wir sind gerade dabei, einen Kinderpornographie-Ring hochzunehmen. Bei dieser Arbeit sind wir auf eine Person aus eurem Bezirk gestoßen, und deshalb hatte ich angerufen.«
Patrik fühlte sich wie ein Idiot, aber er hatte keine Ahnung, wovon der Mann sprach. »Mit wem von uns hast du gesprochen?«
»Jaa, du hattest an dem Tag wohl wegen deines Kindes frei, also wurde ich verbunden mit einem … mal sehen …« Es klang, als blätterte er in Papieren. »Hier habe ich es. Ich sprach mit einem Ernst Lundgren.«
Patrik fühlte, wie sich sein Blickfeld vor Zorn verengte, so daß er einen Tunnelblick bekam. Vor seinem Inneren sah er, wie er Ernst die Hände um den Hals legte und langsam zudrückte. Mit erkämpfter Ruhe erwiderte er: »Da muß hier was mit der Kommunikation nicht geklappt haben. Könntest du mir die Sache vielleicht jetzt mitteilen, dann werde ich später untersuchen, was passiert ist.«
»Ja, sicher kann ich das.«
Lars Karlfors berichtete in groben Zügen, worauf ihre Arbeit hinauslief und wie sie auf diesen Kinderpornographie-Ring gestoßen waren, der bei ihnen jetzt ganz oben auf der Tagesordnung stand. Als er zu dem Teil kam, wo die Tanumsheder Dienststelle möglicherweise etwas beitragen konnte, schnappte Patrik heftig nach Luft. Er zwang sich, die Sache bis zu Ende anzuhören, versprach, daß sie der Angelegenheit höchste Priorität verleihen würden, und beendete das Gespräch mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln. Aber sobald er den Hörer aufgelegt hatte, war er auf den Beinen. Mit zwei riesigen Schritten durchquerte er das Zimmer und brüllte direkt in den Korridor: »ERNST!«
Erica versuchte ihre Gedanken zu sortieren, als ein Klopfen an der Tür sie zusammenzucken ließ. Sie ahnte, wer es war, und ging öffnen. Charlotte stand draußen. Sie hatte keinen Mantel an und sah aus, als sei sie den ganzen Weg von zu Hause gerannt. Der Schweiß lief ihr von der Stirn, und sie zitterte unkontrolliert.
»Wie siehst du denn aus«, sagte Erica impulsiv, aber bereute ihre Wortwahl rasch und zog Charlotte in die Wärme herein.
»Störe ich?« fragte Charlotte kläglich, und Erica schüttelte heftig den Kopf.
»Natürlich nicht. Du bist jederzeit willkommen, das weißt du.«
Charlotte nickte und fröstelte noch immer, die Arme dicht um den Körper geschlungen. Die Haare klebten ihr am Kopf, und eine Strähne hing ihr in die Augen. Sie sah aus wie ein klatschnasser, vernachlässigter und verlassener Welpe.
»Willst du eine Tasse Tee?« fragte Erica.
Charlotte hatte etwas Wildes im Blick, das sich mit dem Dunklen mischte, das darin lag, seit der Bescheid wegen Sara gekommen war. Aber sie nickte dankbar auf Ericas Angebot.
»Setz dich, ich komme gleich«, sagte Erica und ging in die Küche. Sie warf einen Blick auf Maja, die im Laufstall lag, aber das Kind schien zufrieden mit dem Dasein und betrachtete Charlotte interessiert, als sie an ihr vorbeiging.
»Wenn ich mich hinsetze, wird das Sofa naß«, sagte Charlotte und klang, als wäre das der Weltuntergang.
»Schietegal«, sagte Erica. »Das trocknet. Du, ich habe nur Walderdbeertee, ist das in Ordnung, oder findest du den zu süß?«
»Das ist okay«, erwiderte Charlotte, und Erica vermutete, daß sie dieselbe Antwort erhalten hätte, hätte sie ihr Tee mit Pissegeschmack angeboten.
Erica kehrte rasch zurück, auf einem Tablett zwei große Tassen Tee, ein Glas Honig und zwei Löffel. Vorsichtig griff Charlotte nach der Tasse und nippte am Tee. Erica saß still daneben und tat das gleiche. Sie wollte Charlotte nicht zum Reden zwingen, aber sie spürte fast körperlich, wie stark der Wunsch der Freundin war, sich ihr anzuvertrauen. Vielleicht wußte sie nur nicht, an welchem Ende sie
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