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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Manuskript sollte es jede Menge extremer Effekte geben. Seine Finger liefen rasch über die Tastatur, und auf dem Bildschirm entstand die Szene mit Blitzgeschwindigkeit. Morgan bewunderte und beneidete diejenigen wirklich, die Geschichten erfinden konnten, bei denen es dann seine Aufgabe war, sie in eine virtuelle Wirklichkeit zu verwandeln. Wenn er etwas in seinem Leben vermißte, so war es diese Phantasie, die andere Menschen besaßen und die in ihrem freien Lauf alle Grenzen sprengte. Versucht hatte er es ja. Manchmal war er auch dazu gezwungen worden. Zum Beispiel beim Aufsatzschreiben in der Schule, das war der reinste Alptraum gewesen. Manchmal hatten sie ein Thema bekommen, manchmal nur ein Bild, und ausgehend von dem erwartete man, daß sie ein ganzes Netz voller Ereignisse und Personen spönnen. Er war nie weiter als bis zum ersten Satz gekommen. Dann war es, als ob sein Gehirn alle Tätigkeit total einstellte. Es war leergefegt. Das weiße Blatt lag vor ihm und schrie förmlich danach, mit Wörtern gefüllt zu werden, aber nichts kam. Die Lehrer hatten ihn gescholten. Zumindest bis Mama kam und mit ihnen redete, nachdem die Diagnose gestellt worden war. Danach hatten die Lehrer seine Versuche nur mit neugierigen Augen betrachtet, hatten ihn angeschaut, als sei er ein fremdes Wesen. Sie wußten nicht, wie recht sie hatten. Genau so fühlte er sich, als er dort in der Schulbank saß, das Papier vor sich und die kratzenden Schreibgeräusche seiner Klassenkameraden um sich herum. Ein fremdes Wesen.
    Als er die Welt der Computer gefunden hatte, fühlte er sich zum ersten Mal zu Hause. Das war etwas, das ihm leichtfiel, was er beherrschte, was zu ihm paßte wie sonst nichts.
    Als er noch jünger war, hatte er sich genauso manisch darauf gestürzt, alles über Codesprachen zu lernen. Er hatte alles gelesen, was ihm dazu in die Hände kam, und konnte sein Wissen stundenlang herunterbeten. Irgend etwas an den Zahlen und Buchstaben, die in genialen Kombinationen genutzt wurden, hatte ihn angesprochen. Aber als er dann Interesse an Computern fand, hatte er von einem Tag zum anderen jegliche Faszination an den Codes verloren. Die Kenntnisse jedoch waren noch immer vorhanden, und er konnte jederzeit alles abrufen, was er je auf diesem Gebiet gelernt hatte. Es war nur einfach nicht mehr interessant.
    Das Blut, das die Scheide des Schwertes entlanglief, ließ ihn wieder an das Mädchen denken. Er fragte sich, ob das Blut, jetzt, wo sie tot war, in ihr erstarrt war. Ob in ihren Adern bloß eine kompakte Masse lag. Vielleicht war es auch nur genauso braun geworden, wie altes Blut werden konnte, das hatte er bei einem jener Versuche gesehen, als er sich probehalber in die Handgelenke schnitt. Fasziniert hatte er auf das Blut gestarrt, das hervorgesickert war, dann aber war es allmählich langsamer geflossen, erstarrt und hatte die Farbe verändert.
    Seine Mutter hatte ganz erschrocken reagiert, als sie damals zu ihm hereinkam. Er hatte versucht zu erklären, daß er nur sehen wollte, wie das Sterben ist, aber sie hatte ihn ohne ein Wort ins Auto gezerrt und war mit ihm ins Medizinische Zentrum gefahren. Obwohl es eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Das Schneiden hatte weh getan, also hatte er nicht tief genug geschnitten, und das Blut war ja bereits geronnen. Aber hysterisch war sie dennoch geworden.
    Morgan verstand nicht, warum der Tod für normale Menschen ein so schreckliches Ereignis war. Er war doch nur ein Zustand, genau wie das Leben. Und manchmal erschien ihm der Tod weit verlockender als das Leben. Also beneidete er das Mädchen hin und wieder. Sie wußte es jetzt. Wußte die Lösung des Rätsels.
    Er zwang sich, wieder zu dem Spiel zurückzukehren. Manchmal konnten die Gedanken an den Tod mehrere Stunden in Anspruch nehmen, ohne daß er es merkte. Das vermasselte ihm seinen ganzen Zeitplan.
     
    Ernst saß verdrossen vor ihm. Er weigerte sich, Patriks Blick zu begegnen, und studierte statt dessen seine ungeputzten Schuhe.
    »Antworte gefälligst!« schrie Patrik. »Hast du einen Anruf aus Göteborg wegen Kinderpornographie bekommen?«
    »Ja«, antwortete Ernst mürrisch.
    »Und, warum haben wir davon keine Kenntnis?«
    Langes Schweigen folgte.
    »Ich wiederhole«, sagte Patrik mit bedrohlich leiser Stimme. »Warum hast du das nicht an uns weitergegeben?«
    »Ich glaubte nicht, daß es so wichtig war«, sagte Ernst ausweichend.
    »Du glaubtest nicht, daß es so wichtig war!« Patriks Stimme war eiskalt, und er

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