Die Toechter der Kaelte
Ausfahrt von Fjällbacka hielt, gelang es ihm, sich auf die jetzige Aufgabe zu konzentrieren und die Probleme daheim zu vergessen. Die Wohnung, zu der er wollte, lag im zweiten Aufgang des ersten Hauses, und er stieg in den ersten Stock hoch. Svensson/Kallin stand an einer Tür, und dort klopfte er vorsichtig an. Ihm war bekannt, daß es da drinnen ein Baby gab, und er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie wenig man es schätzte, wenn gefühllose Menschen den Sprößling weckten. Ein junger Mann um die Fünfundzwanzig öffnete, und obwohl es bereits halb neun war, sah er übellaunig und verschlafen aus. »Mia, das ist für dich.«
Er trat beiseite, ohne Patrik zu begrüßen, und kehrte mit schlurfenden Schritten in ein Zimmer zurück, das vom Flur abging. Patrik schaute in einen kleinen Raum, den man wohl als Gästezimmer vorgesehen hatte, der jetzt aber für die Freizeit eingerichtet war, mit einem Computer, mehreren Joysticks und jeder Menge Videospielen auf dem Schreibtisch verstreut. Ein »Erschieß-möglichst-viele-Feinde-Spiel« war auf dem Bildschirm im Gang, und der Bursche, von dem Patrik annahm, daß er entweder Svensson oder Kallin hieß, setzte sein Spiel fort und schien in einer anderen Welt zu versinken.
Die Küche lag links vom Flur, und Patrik betrat sie, nachdem er seine Schuhe an der Wohnungstür zurückgelassen hatte.
»Kommen Sie rein, ich gebe Liam gerade zu essen.«
Der Kleine saß in einem weißen Kinderstuhl und wurde mit Brei und irgendeiner Art Fruchtpüree gefüttert. Patrik winkte ihm zu und wurde mit einem breiigen Lächeln belohnt.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Mia und wies auf den Stuhl ihr gegenüber.
Er folgte ihrer Anweisung und zog seinen Notizblock hervor.
»Könnten Sie erzählen, was gestern passiert ist?«
Ein leichtes Zittern der Hand, die den Löffel hielt, zeigte, wie schockierend der Tag für sie gewesen war. Sie nickte und schilderte das Geschehen in kurzen Zügen. Patrik machte sich Notizen, aber es waren dieselben Angaben, die Annika am Tag zuvor notiert hatte, als Mia angerufen hatte.
»Und Sie haben niemanden in der Nähe des Wagens gesehen?«
Mia schüttelte den Kopf, und Liam, der anscheinend fand, das sähe lustig aus, schüttelte ebenfalls eifrig den Kopf, was die Einfuhr des Breis beträchtlich erschwerte.
»Nein, ich habe niemanden gesehen. Weder vorher noch nachher.«
»Sie hatten den Wagen auf der Rückseite abgestellt?«
»Ja, da ist es etwas abgeschiedener, und es erschien mir sicherer, ihn dort im Wagen zu lassen. Ich wollte ihn nicht mit reinnehmen. Einerseits schlief er, andererseits fand ich es umständlich, den Wagen mit in den Laden zu bugsieren, und ich wollte ja nur ein paar Minuten wegbleiben.«
»Und als Sie dann zurückkamen, sahen Sie eine grauschwarze Substanz im Wagen und an Liam.«
»Er schrie wie verrückt. Er muß den ganzen Mund voll gehabt haben, aber konnte das meiste ausspucken, denn sein Mund war innen ganz schwarz.«
»Sind Sie mit ihm zum Arzt gegangen?«
Wieder schüttelte sie den Kopf, und er sah, daß er einen wunden Punkt getroffen hatte.
»Nein. Ich hätte es vielleicht tun sollen, aber wir wollten schnell nach Hause, und ihm schien ja nichts zu fehlen, außer daß er Angst hatte und wütend war, also habe …«
Die Stimme blieb ihr weg, und Patrik sagte eilig: »Es besteht bestimmt keine Gefahr. Sie haben ganz richtig gehandelt. Es scheint ihm ja gut zu gehen, dem Kleinen.«
Liam wedelte bestätigend mit der Hand und riß den Mund ungeduldig in Erwartung des Löffels auf. An Appetit schien es ihm offenbar nicht zu mangeln, worauf das Doppelkinn schließen ließ.
»Den Pullover, wegen dem ich gestern anrief, haben Sie …«
Sie stand auf. »Ich habe ihn nicht gewaschen, genau wie Sie gestern sagten. Und er ist voll mit diesem schwarzen Mist. Sieht aus wie Asche, finde ich.«
Sie ging, um den Pullover zu holen, und Liam guckte sehnsüchtig nach dem Löffel, der jetzt neben dem Teller lag. Patrik zögerte eine Sekunde, dann setzte er sich auf Mias Platz und machte da weiter, wo sie aufgehört hatte. Zwei Löffel gingen wie am Schnürchen, dann beschloß Liam, sein Autobrummen zu demonstrieren, und ließ die Lippen vibrieren, so daß Patriks Gesicht und Haare mit Brei besprüht wurden. Genau in diesem Augenblick kam Mia mit dem Pullover zurück. Sie konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
»Wie Sie aussehen. Ich hätte Sie warnen oder Ihnen wenigstens einen Regenmantel und einen Südwester borgen sollen. Ich
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