Die tödliche Bedrohung
ein angewärmter Brandy. Er hatte sogar gehofft, dass Althea ein bisschen auftauen würde. Obwohl es wahrscheinlich nicht besonders hilfreich war, so an sie zu denken – sie sich als eine dahinschmelzende Eisprinzessin vorzustellen –, war es doch zumindest ein bisschen Stoff für seine ruhelosen Gedanken.
In Wirklichkeit jedoch war sie eine Polizistin und gefühlsmäßig so weit entfernt von ihm wie der Mond. Aber in seinem Tagtraum, der von dem langsamen Blues aus dem Radio noch angefeuert wurde, war sie ganz und gar Frau – verführerisch wie die schwarze Seide, in der er sie sich ausmalte, verlockend wie das knackende Kaminfeuer, das er vor sich sah, weich wie der weiße Fellteppich, auf dem sie sich niederließen.
Und schmecken tat sie wie honigsüßer Whiskey. Ein starker Geschmack, der ihm den Kopf vernebelte und sich mit ihrem Duft vermischte, bis alles eins war. Ein Rauschmittel, nach dem ein Mann süchtig werden konnte.
Seide glitt mit einem leisen Rascheln auseinander, Zentimeter für verführerischen Zentimeter, und enthüllte das alabasterweiße Fleisch darunter. Weich wie ein Blütenblatt, makellos wie Glas, fest und weich wie Wasser. Und als sie die Arme nach ihm ausstreckte und ihn an sich zog, flüsterten ihre Lippen an seinem Ohr eine zärtliche Einladung.
„Was ist, wollen Sie noch Kaffee?“
„Hm?“ Er schrak zusammen und riss den Kopf herum, um sie in dem halbdunklen Auto anzuschauen. Sie hielt ihm die Thermoskanne hin. „Was?“
„Noch Kaffee?“ Völlig perplex von seinem Gesichtsausdruck, griff sie nach seinem Becher und füllte ihn halb auf. Wenn sie nur flüchtig hingesehen hätte, hätte sie es wahrscheinlich für Wut gehalten, Wut, die kurz davor war zu explodieren. Aber sie kannte diesen Blick, sie kannte ihn nur allzu gut. Das war keine Wut, sondern Verlangen, und zwar genauso bereit zu explodieren. „Haben Sie gerade in Gedanken einen kleinen Abstecher gemacht, Nightshade?“
„Jaaa.“ Er nahm den Becher entgegen und trank einen langen Schluck, obwohl ihm im Moment ein doppelter Whiskey wesentlich lieber gewesen wäre. Aber seine Lippen verzogen sich trotzdem zu einem Lächeln, das nicht frei von Selbstironie war. „Und was für einen.“
„Na, verschieben Sie es noch ein bisschen, okay?“ Sie trank ebenfalls einen Schluck, dann hielt sie ihm eine Tüte mit Kandiszucker hin, während sie mit einem Auge die Straße beobachtete. „Da kommt wieder einer.“ Vorsichtig stellte sie ihren Becher ab und griff nach ihrer Kamera. Sie machte zwei schnelle Aufnahmen von dem Mann, der gerade die Bar betrat. Er war erst der zweite Gast im Verlauf der vergangenen Stunde.
„Ein florierendes Unternehmen scheint das ja nicht gerade zu sein, was?“
„Die meisten Leute wollen zu ihren Drinks eben ein freundlicheres Ambiente, könnte ich mir vorstellen.“
„Zimmerpalmen und Musikkonserven?“
Sie legte die Kamera wieder hin. „Vor allem saubere Gläser. Ich bezweifle, dass wir hier einen unserer Filmmogule antreffen.“
„Und warum sitzen wir dann um elf Uhr abends in einem kalten Auto vor einer finsteren Spelunke?“
„Weil es mein Job ist.“ Sie nahm sich ein Stück Kandiszucker aus der Tüte und warf es sich in den Mund. „Und weil ich auf etwas anderes warte.“
Er horchte auf. Das war ja etwas ganz Neues. „Wären Sie vielleicht so freundlich, mich aufzuklären?“
„Nein.“ Sie suchte sich noch ein Stück Kandiszucker aus und vertiefte sich wieder in ihr Kreuzworträtsel.
„So, jetzt reicht’s mir aber.“ Er riss ihr die Zeitung weg. „Wollen Sie Spielchen mit mir spielen, Grayson? Schön, dann will ich Ihnen mal was sagen. Ich bekomme nämlich ausgesprochen schlechte Laune, wenn man versucht, mich für blöd zu verkaufen. Und noch schlechtere Laune bekomme ich, wenn ich mich so langweile, dass ich das Gefühl habe, durchzudrehen. Dann werde ich zum Tier.“
„Bitte, entschuldigen Sie“, piepste sie in einem hilflosen Ton, der in krassem Widerspruch zu ihren vor Wut blitzenden Augen stand. „Ich bekomme vor Angst kaum ein Wort heraus.“
„Sie wollen, dass ich Ihnen Angst mache?“ Er bewegte sich schnell, unheimlich schnell. Auszuweichen wäre unmöglich gewesen, deshalb versuchte sie es erst gar nicht und wehrte sich nicht, als er sie an den Schultern packte. „Genau besehen müsste ich es eigentlich schaffen, Ihnen ein bisschen Gottesfurcht beizubringen, Thea.“
„Hände weg, und zwar auf der Stelle. Das ist es, worauf ich die ganze
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