Die Tore Der Finsternis
kann.«
»Aber Sie könnten sich auch irren.«
»Das glaube ich nicht.«
Die Stille wurde durch einen Anruf unterbrochen, der aber nicht von dem Telefon auf Dempseys Schreibtisch kam, sondern von einem anderen Apparat, der auf einem langen, hüfthohen Regal unter dem Fenster stand. Siobhan sah, dass sich auf einem der unteren Regalbretter ein Funkgerät befand. Das Fenster konnte man aufschieben, und Siobhan vermutete, dass jeder, der außerhalb der Bürozeiten hier ein Taxi bestellen wollte, durch dieses Fenster sprechen musste. Ellen Dempseys Misstrauen galt nicht ihren Fahrern, sondern den übrigen Menschen.
Siobhan beobachtete Dempsey, wie sie einen Auftrag entgegennahm und dann per Funk an »Wagen vier« weiterleitete. Zwei Stammkunden wollten aus einem Lokal im Westend abgeholt werden. Eine Fahrt, die einer Versicherungsfirma in Rechnung gestellt werden sollte.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Dempsey und kam zurück zum Schreibtisch. Siobhan hatte sich ihre Kleidung angesehen: blaues Kostüm, weiße Bluse, schwarze Schuhe mit flachen Absätzen. Ganz die erfolgreiche Geschäftsfrau.
»Ich finde es irgendwie sonderbar, dass jemand wie Sie so eine Firma leitet«, meinte Siobhan lächelnd.
»Ich mag Autos.«
»Der MG draußen gehört Ihnen, oder?«
Dempsey blickte aus dem Fenster. Sie hatte das Auto so geparkt, dass sie es vom Schreibtisch aus sehen konnte. »Das ist mein achter. Zwei stehen noch zu Hause in der Garage.«
»Trotzdem - es gibt nicht viele Taxiunternehmen mit einer Frau als Chefin.«
»Dann bin ich vielleicht eine Pionierin auf diesem Gebiet.«
»Sie haben sich das alles hier selbst aufgebaut?«
»Falls Sie vermuten, dass ich die Firma von einem Exehemann oder so übernommen habe, liegen Sie falsch.«
»Ich habe mich bloß gefragt, welchen Beruf Sie vorher hatten.«
»Wollen Sie sich vielleicht beruflich verändern und brauchen noch ein paar Tipps?« Dempsey griff in eine Schublade und holte Zigaretten und ein Feuerzeug heraus. Sie bot Siobhan eine an, die jedoch verneinte. »Ich rauche um diese Zeit immer eine«, erklärte Dempsey. »Irgendwie schaff ich es nicht, ganz damit aufhören.« Sie zündete die Zigarette an, sog den Rauch ein und atmete ihn langsam wieder aus. »Ich hab mit ein paar Taxis in Dundee angefangen - ich stamme von dort. Als ich dann expandieren wollte, schien mir Dundee nicht der richtige Ort dafür. Edinburgh hingegen -«
»Die Konkurrenz war sicher nicht erfreut, als Sie hier auftauchten.«
»Es gab mehrere offene Aussprachen«, gab Dempsey zu. Sie wurde erneut von einem Anruf unterbrochen. Danach hatte Siobhan eine weitere Frage.
»Auch mit Big Ger Cafferty?«
Dempsey nickte. »Aber wie Sie sehen, sitze ich immer noch hier.«
»Er hat es also nicht geschafft, Sie zu vertreiben?« »Cafferty ist nicht der einzige Taxiunternehmer in der Stadt. In diesem Geschäft wird mit harten Bandagen gekämpft. Denken Sie nur an den ständigen Ärger draußen am Flughafen.«
Siobhan wusste natürlich von der erbittert geführten Auseinandersetzung zwischen schwarzen Taxis und Minicars um die Fahrgäste, die von den Flugzeugen kamen.
»Am Anfang hatten wir einige zerstochene Reifen und kaputte Windschutzscheiben zu beklagen... und jede Menge Fehltouren. Aber irgendwann haben es die anderen aufgegeben. Ich bin nämlich ziemlich hartnäckig, DS Clarke.«
»Das bezweifle ich nicht, Mrs Dempsey.«
» Ms Dempsey.«
Siobhan nickte. »Mir war schon aufgefallen, dass Sie keinen Ring tragen, aber der Mann draußen sagte ›Mrs‹.«
Dempsey lächelte. »Das tun sie alle. Es macht für mich vieles einfacher, wenn die Männer glauben, dass ich jederzeit einen Mr Dempsey holen könnte, damit er ihnen den Marsch bläst.« Sie sah auf die Uhr. »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber die Telefonistin von der Nachtschicht kommt gleich, und ich möchte vorher noch einiges an Papierkram erledigen.«
»Kein Problem«, sagte Siobhan und stand auf.
»Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«
»Gern geschehen. Und danke für die beruflichen Ratschläge.«
»Sie brauchen keine Ratschläge, DS Clarke. Ein Taxiunternehmen zu leiten ist sicher nicht ohne, aber als Frau beim CID Erfolg zu haben...« Dempsey schüttelte langsam den Kopf. »Ihren Job könnte ich nie machen.«
»Das verlangt ja zum Glück auch keiner von Ihnen«, sagte Siobhan. »Nochmals vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.«
Sie fuhr bis ans Ende der Straße, quetschte den Wagen in eine
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