Die Tore Der Finsternis
sie automatisch. Diese Frage war ihr nicht zum ersten Mal von einem Polizisten gestellt worden.
»Sie hatten nicht den Eindruck, dass Mr Marbers berufliches Engagement nachließ?«, hakte Rebus nach.
Sie schüttelte den Kopf, sah ihn aber nicht an.
»Ganz sicher, Miss Meikle?«
Sie murmelte etwas Unverständliches.
»Wie bitte?«, sagte Siobhan.
»Eddie hatte öfter komische Ideen«, wiederholte die Sekretärin.
»Er hat Ihnen gesagt, dass er verkaufen wollte, stimmt’s?«
Sie schüttelte erneut den Kopf, dieses Mal trotzig. »Nein, verkaufen nicht.«
»Aber eine längere Auszeit nehmen?«
Sie nickte. »In seinem Haus in der Toskana.«
»Hat er erwähnt, dass er jemanden dorthin mitnehmen wollte?«
Sie blickte hoch, bemüht, nicht in Tränen auszubrechen. »Warum müssen Sie darauf herumreiten?«
»Das ist unser Beruf«, erklärte Siobhan. »Sie wissen sicher, dass Malcolm Neilson in Zusammenhang mit dem Mord an Mr Marber verhaftet wurde.«
»Ja.«
»Glauben Sie, er war es?«
»Ich wüsste nicht, was dagegen spricht.«
»Sie wollen, dass er es war, weil dann das alles ein Ende hätte«, sagte Siobhan ruhig. »Aber wäre es nicht besser, wir würden den wahren Schuldigen finden?«
Meikle sah sie blinzelnd an. »War Malcolm Neilson es denn nicht?«
»Nein, unserer Meinung nach nicht«, erwiderte Rebus. »Wussten Sie von Laura Stafford?«
»Ja.«
»Und auch, dass sie eine Prostituierte war?«
Die Frau nickte, nicht willens, etwas zu sagen.
»Hat Eddie gesagt, er wolle mit Ms Stafford in die Toskana fahren?«
Erneutes Nicken.
»Wissen Sie, ob er Ms Stafford bereits gefragt hatte?«
»Wie ich schon sagte, Eddie hatte öfters komische Ideen - es war nicht das erste Mal, dass er so etwas plante.« Sie schwieg einen Moment. »Und sie war keineswegs die erste Frau, die er als Reisebegleiterin im Auge hatte.«
Ihr Tonfall ließ Rebus vermuten, dass sie auch mal geglaubt hatte, eine der Kandidatinnen zu sein.
»Könnte er es diesmal ernst gemeint haben?«, fragte er ruhig. »Er hatte einen Lagerraum gemietet und war dabei, seine Gemäldesammlung einzumotten.«
»Auch das hat er schon früher getan«, fauchte sie.
Rebus überlegte einen Augenblick. »Der gestohlene Vettriano - gibt es hier irgendwelche Unterlagen darüber, wann und wo das Bild gekauft wurde?«
»Die haben Ihre Kollegen mitgenommen.«
»Haben sie auch noch andere Unterlagen mitgenommen?« Rebus Blick wanderte zu den beiden Aktenschränken in einer Ecke des Zimmers. »Wir interessieren uns für Anund Verkäufe, die vor fünf bis sechs Jahren getätigt wurden.«
»Alles da drin«, sagte die Sekretärin und wies mit einer Kopfbewegung nicht in Richtung der Schränke, sondern auf zwei große Kartons, die neben dem Schreibtisch auf dem Boden standen. »Ich habe die letzten beiden Tage damit verbracht, Ordnung zu schaffen.Weiß der Himmel, wozu.Wahrscheinlich wird man alles wegwerfen.«
Rebus lief auf Zehenspitzen durchs Zimmer und öffnete einen der Kartons. Stapelweise Rechnungen und Quittungen lagen darin, verpackt in Klarsichthüllen und mit Gummibändern umwickelt. Etliche gelbe Klebezettel ragten als Markierung zwischen den Seiten hervor. Rebus sah zu Miss Meikle hoch.
»Das haben Sie großartig gemacht«, lobte er sie.
Eine Stunde später saßen Rebus und Siobhan auf dem Fußboden des einen Ausstellungsraums, jeder einen Teil der Unterlagen vor sich ausgebreitet. Ein paar neugierige Passanten blieben stehen, um ihnen zuzuschauen. Wahrscheinlich glaubten sie, Zeugen einer neuen Form von Installationskunst zu sein. Auch als Siobhan einem studentisch aussehenden Pärchen den Stinkefinger zeigte, lächelten beide bloß, offenbar davon überzeugt, dass auch dies Teil der Perfomance war. Rebus lehnte mit dem Rücken an der Wand, die ausgestreckten Beine gekreuzt. Siobhan saß auf den Unterschenkeln, bis sich ihre Beine taub anfühlten und sie über den weiß lackierten Holzboden hüpfte. Rebus dankte Gott für die Ordnungsliebe von Miss Meikle. Ohne die würden sie wohl Tage brauchen.
»Dieser Mr Montrose scheint ein guter Kunde gewesen zu sein«, sagte Rebus, während er Siobhan dabei beobachtete, wie sie ihren eingeschlafenen Fuß massierte.
»Von denen gab’s eine Menge«, sagte sie. »Ich wusste gar nicht, dass die Edinburgher so viel Geld zum Verprassen haben.«
»Sie verprassen es nicht, Siobhan, sie investieren es. Ist doch viel netter, Geld in Form eines Gemäldes an die Wohnzimmerwand
zu hängen, statt es auf der Bank
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