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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gesehen hätte.
    Sie kamen zu einer
breiten Lichtung, und Merthin sagte: »Das wird reichen.«
    Am gegenüber
liegenden Ende, gut fünfzig Schritt entfernt, stand eine Eiche mit breitem
Stamm. Merthin stellte sich schräg zum Ziel, wie er es bei den Männern gesehen
hatte. Dann holte er einen seiner drei Pfeile heraus und legte ihn auf die
Sehne. Die Pfeile waren genauso schwer herzustellen gewesen wie der Bogen. Sie
bestanden aus Eschenholz und hatten Gänsefedern als Befiederung. Da Merthin
kein Eisen für die Spitzen hatte bekommen können, hatte er die Schäfte schlicht
angespitzt und im Feuer gehärtet. Er legte auf den Baum an und spannte. Das
kostete ihn viel Kraft. Er ließ los.
    Der Pfeil fiel
schon weit vor dem Ziel zu Boden. Hop, der Hund, tollte über die Lichtung, um
ihn zurück zu holen.
    Merthin war
überrascht. Er hatte damit gerechnet, dass der Pfeil durch die Luft fliegen und
sich mit der Spitze in den Stamm bohren würde. Nun erkannte er, dass er den
Bogen nicht weit genug gespannt hatte.
    Merthin versuchte
es mit dem Bogen in der rechten und dem Pfeil in der linken Hand. Was das
betraf, war er sehr ungewöhnlich, denn er war weder Links- noch Rechtshänder,
sondern mit beiden Händen gleichermaßen geschickt. Beim zweiten Pfeil zog er
mit aller Kraft an der Sehne und drückte den Bogen mit der anderen Hand nach
vorne, und tatsächlich gelang es ihm, die Waffe weiter zu spannen als zuvor.
Diesmal erreichte der Pfeil den Baum fast.
    Für den dritten
Schuss richtete er den Bogen nach oben in der Hoffnung, der Pfeil würde in
einem Bogen durch die Luft fliegen und den Stamm so endlich treffen. Doch er
schoss zu steil, und so flog der Pfeil ins Geäst und fiel inmitten eines
Schauers trockener brauner Blätter abermals zu Boden.
    Merthin war
peinlich berührt. Das Bogenschießen erwies sich als weit schwerer, als er
gedacht hatte. Der Bogen selbst war wohl in Ordnung. Das Problem war sein
Können … oder sein Mangel daran.
    Erneut schien Caris
sein Unbehagen nicht zu bemerken. »Lass mich mal versuchen«, sagte sie.
    »Mädchen können
nicht schießen«, sagte Ralph und riss Merthin den Bogen aus der Hand. Mit der
Schulter zum Ziel, wie auch Merthin es getan hatte, schoss er nicht sofort,
sondern spannte den Bogen mehrere Male, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Wie
Merthin, so fand auch er es weit schwerer als erwartet, doch nach nur wenigen
Augenblicken schien er damit umgehen zu können.
    Hop hatte Gwenda
alle drei Pfeile vor die Füße gelegt, und nun hob das kleine Mädchen sie auf
und reichte sie Ralph.
    Ralph zielte, ohne
den Bogen zu spannen. Er richtete den Pfeil auf den Baumstamm aus, solange noch
kein Druck auf seinen Armen lastete. Merthin erkannte, dass er es genauso hätte
machen sollen. Warum fielen Ralph solche Dinge nur so leicht, wo er doch noch
nicht einmal das einfachste Rätsel lösen konnte? Ralph spannte den Bogen zwar
nicht ohne Mühe, doch in einer fließenden Bewegung, wobei er die Spannung
hauptsächlich mit seinen Beinen abzufangen schien. Dann ließ er den Pfeil los,
und das Geschoss traf die Eiche und drang gut einen Zoll in das weiche äußere
Holz. Ralph lachte triumphierend.
    Hop lief dem Pfeil
hinterher. Als er den Baum erreichte, blieb er verblüfft stehen.
    Ralph spannte den
Bogen erneut. Merthin erkannte, was er vorhatte. »Nicht …«, rief er, doch es
kam einen Moment zu spät. Ralph schoss auf den Hund. Der Pfeil traf das Tier im
Nacken und drang ein. Hop fiel nach vorne und lag zuckend auf dem Boden.
    Gwenda schrie.
Caris sagte: »O nein!« Die beiden Mädchen liefen zu dem Hund.
    Ralph grinste. »Na? Wie war das?«, fragte er stolz.
    »Du hast
ihren Hund erschossen!«, sagte Merthin wütend.
    »Das ist doch egal.
Er hatte sowieso nur drei Beine.« »Das kleine Mädchen hat ihn gemocht, du Narr!
Schau nur, wie sie weint.« »Du bist nur neidisch, weil ich so gut schießen
kann.« Irgendetwas erregte Ralphs Aufmerksamkeit. Mit einer geschmeidigen
Bewegung legte er einen neuen Pfeil ein, riss den Bogen herum und schoss, noch
während er sich bewegte. Merthin sah erst, worauf sein Bruder schoss, als das
Geschoss sein Ziel traf und ein fetter Hase von der Wucht des Treffers in die
Luft geschleudert wurde. Der Schaft steckte tief in seinen Hinterbeinen.
    Merthin konnte
seine Bewunderung nicht verbergen. Selbst mit Übung konnte nicht jeder einen
laufenden Hasen treffen. Ralph besaß ein angeborenes Talent

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