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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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kann das nicht wollen. Also wird er das kleinere Übel
wählen: dich als Prior.«
    »Aber dann ist er
für den Rest meines Lebens mein Feind.« »Das ist er so oder so.«
    Das war zwar nur
ein kleiner Trost für Godwyn, doch er stritt nicht mit seiner Mutter, denn er
wusste, dass sie wieder einmal recht hatte.
    Es klopfte an der
Tür, und Lady Philippa kam herein. Godwyn und Petronilla erhoben sich.
    »Ich muss mit Euch
sprechen«, sagte Philippa zu Godwyn.
    Er sagte: »Darf ich
Euch meine Mutter Petronilla vorstellen?«
    Petronilla machte
einen Knicks und sagte: »Ich sollte jetzt besser gehen. Ihr seid offenbar hier,
um zu verhandeln, Mylady.« Philippa blickte sie erheitert an. »Wenn Ihr schon
so viel wisst, dann wisst Ihr alles, was wichtig ist. Vielleicht solltet Ihr
bleiben.« Als die beiden Frauen einander gegenüberstanden, fiel Godwyn auf,
dass sie sich ähnelten: die gleiche Größe, die gleiche statuenhafte Figur, die
gleiche gebieterische Ausstrahlung. Philippa war gut zwanzig Jahre jünger, und
sie strahlte gelassene Autorität und einen Hauch von Humor aus — ganz anders
als Petronilla mit ihrer düsteren, grimmigen Entschlossenheit. Vielleicht lag
es daran, dass Philippa einen Mann hatte, Petronilla jedoch nicht mehr.
Überdies war Philippa eine Frau mit starkem Willen, und sie übte durch ihren
Mann — Herrn William — Macht aus. Doch wie Godwyn nun bemerkte, besaß auch
Petronilla Macht durch einen Mann: durch ihn.
    »Setzen wir uns«,
sagte Philippa.
    Petronilla fragte:
»Hat der Graf dem zugestimmt, was immer Ihr vorschlagen wollt?«
    »Nein.« Philippa
machte eine hilflose Geste. »Roland ist zu stolz, um im Vorhinein etwas
zuzustimmen, das die andere Seite ablehnen könnte. Doch wenn ich Godwyns
Zustimmung zu meinem Vorschlag bekomme, besteht die Möglichkeit, Roland von
einem Kompromiss zu überzeugen.«
    »Das dachte ich mir
schon.«
    Godwyn fragte:
»Möchtet Ihr etwas zu essen, Mylady?« Philippa winkte ungeduldig ab. »So wie
die Dinge stehen, werden alle verlieren«, sagte sie. »Die Hochzeit wird
stattfinden, doch ohne die angemessene Prachtentfaltung und Feierlichkeit.
Damit wäre die Allianz zwischen Roland und Monmouth von Anfang an mit einem Makel
behaftet. Der Bischof wird sich weigern, Euch als Prior zu bestätigen, Bruder
Godwyn, woraufhin man den Erzbischof anrufen wird, den Streit beizulegen. Der
wiederum wird sowohl Euch als auch Murdo ablehnen und jemand anders nominieren
— vermutlich ein Mitglied seines Kapitels, das er loswerden möchte. Und dann
hat niemand bekommen, was er will. Habe ich recht?« Sie richtete die Frage an
Petronilla, die ein unverbindliches Geräusch zur Antwort gab.
    »Warum also sollten
wir dem Kompromiss des Erzbischofs nicht zuvorkommen?«, fuhr Philippa fort.
»Stellt einen dritten Kandidaten auf. Nur … « Sie deutete auf Godwyn. »Ihr
werdet den Kandidaten wählen, und er wird Euch zum Subprior machen.«
    Godwyn dachte
darüber nach. Das würde ihn von der Notwendigkeit befreien, sich dem Grafen
Auge in Auge zu stellen und ihm mit der Enthüllung des Fehlverhaltens seines
Sohnes zu drohen.
    Andererseits wäre
er mit diesem Kompromiss für eine unbestimmte Zeit zum Dasein eines Subpriors
verdammt, und wenn der neue Prior starb, würde er den Kampf erneut ausfechten
müssen.
    Trotz seiner Angst
neigte Godwyn dazu, Philippas Ansinnen zurückzuweisen.
    Godwyn schaute zu
seiner Mutter. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Ihr gefiel das auch
nicht.
    »Es tut mir leid«,
sagte Godwyn zu Philippa. »Die Mönche haben gewählt, und das Ergebnis muss
bestehen bleiben.«
    Philippa stand auf.
»In dem Fall muss ich Euch die Nachricht übermitteln, wegen der ich offiziell
hier bin. Morgen früh wird der Graf sich aus seinem Krankenbett erheben. Er wünscht,
die Kathedrale zu inspizieren und sicherzustellen, dass alles für die Hochzeit
bereit ist. Ihr sollt ihn um acht Uhr in der Kirche treffen. Alle Mönche und
Nonnen müssen fertig gewandet sein, und die Kirche ist mit den üblichen
Ornamenten zu schmücken.«
    Godwyn nickte, und
Lady Philippa ging hinaus.
     
    Zur verabredeten
Stunde stand Godwyn in der nackten, stillen Kirche.
    Er war allein:
Keine Mönche und Nonnen waren bei ihm. Nirgends war ein Möbel zu sehen,
abgesehen vom Chorgestühl. Es gab keine Kerzen, keine Kruzifixe, keine Kelche,
keine Blumen. Die wässrige Sonne, die kaum die Regenwolken dieses Sommers zu
durchdringen

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