Die Tore der Welt
alle auf den Bischof.
Godwyn hielt den
Atem an. Was würde Richard sagen? Würde er damit prahlen? Würde er Godwyn der
Lüge bezichtigen? Würde er in Wut verfallen und seinen Ankläger angreifen?
Doch auf Richards
Gesicht zeigte sich kein Zorn, sondern das Eingeständnis der Niederlage. Er
senkte den Kopf und sagte: »Es ist sinnlos. Der verdammte Mönch hat recht. Sie
würde ein Verhör nicht durchstehen.«
Graf Roland wurde
kreidebleich. »Du hast das getan?« Dieses eine Mal brüllte er nicht, was das
Ganze umso furchterregender machte. »Das Mädchen, das ich mit dem Sohn eines
Grafen verlobt habe … Du hast sie gefickt?«
Bischof Richard
erwiderte nichts darauf, sondern starrte weiter auf den Boden.
»Du Narr«, sagte
der Graf. »Du Verräter. Du … « Philippa fiel ihm ins Wort. »Wer weiß sonst
noch davon?« Das brachte den Grafen zum Schweigen. Alle schauten Philippa an.
»Vielleicht kann
die Hochzeit ja doch noch stattfinden«, fuhr sie fort. »Gott sei Dank ist der
Graf von Monmouth nicht hier.« Sie schaute Godwyn an. »Wer weiß sonst noch
davon außer jenen, die gerade hier sind, und den beiden Männern der Priorei,
die den Beischlaf bezeugen können?«
Godwyn versuchte,
sein pochendes Herz zu beruhigen. Er stand so nahe vor dem Erfolg, dass er ihn
bereits schmecken konnte.
»Sonst niemand,
Mylady«, antwortete er.
»Wir auf Seiten des
Grafen können ein Geheimnis bewahren«, sagte sie. »Was ist mit Euren Leuten?«
»Sie werden dem
gewählten Prior gehorchen«, antwortete Godwyn und betonte das Wort »gewählt«.
Philippa drehte
sich zu Roland um. »Dann kann die Hochzeit hier stattfinden.«
Godwyn fügte rasch
hinzu: »Vorausgesetzt, die Inauguration des Priors erfolgt zuerst!«
Alle Blicke
richteten sich auf den Grafen.
Roland trat einen
Schritt vor und schlug Richard mitten ins Gesicht. Es war der wuchtige Hieb
eines Soldaten, der wusste, wie man sein ganzes Gewicht in den Arm legte.
Obwohl der Graf mit der offenen Hand geschlagen hatte, wurde Bischof Richard zu
Boden geschleudert.
Richard gab keinen
Laut von sich, schaute nur verängstigt drein, während das Blut ihm aus dem Mund
rann.
Graf Rolands
Gesicht war totenbleich. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Der Schlag hatte ihn
alle Kraft gekostet, und nun zitterte er.
Sekunden verrannen
in lastendem Schweigen. Schließlich schien der Graf seine Kräfte zurück zu gewinnen.
Nach einem verächtlichen Blick auf die in Purpur gewandete Gestalt, die auf dem
Boden kauerte, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ langsam, aber festen
Schrittes die Kirche.
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KAPITEL 24
Zusammen mit der
halben Einwohnerschaft von Kingsbridge stand Caris auf dem Vorplatz der
Kathedrale und wartete darauf, dass Braut und Bräutigam aus dem Kirchenportal
kamen.
Caris wusste selbst
nicht genau, warum sie eigentlich hier war.
Seit dem Tag, an
dem Merthin seinen Kran fertig gebaut hatte — nach dem unerfreulichen Gespräch
über ihrer beider Zukunft —, betrachtete sie die Ehe nur noch mit Ablehnung.
Caris war wütend auf Merthin, obwohl sie natürlich verstehen konnte, dass er
ein eigenes Haus wollte, in dem er mit ihr leben konnte, und dass er jede Nacht
mit ihr schlafen und Kinder haben wollte. So etwas wollte schließlich jeder.
In ihrem Innern
wünschte auch Caris sich nichts sehnlicher, als jeden Abend bei Merthin zu
liegen, sich an ihn zu schmiegen und seine Hände auf ihrer Haut zu spüren, wenn
sie am Morgen erwachte. Und wie gern hätte sie einem kleinen Abbild Merthins
das Leben geschenkt — ihrer beider Kind, das sie lieben und für das sie sorgen
konnte. Doch all die anderen Dinge, die mit einer Ehe einhergingen, wollte
Caris nicht. Sie wollte einen Geliebten, keinen Herrn; sie wollte mit Merthin
leben, nicht ihm ihr Leben widmen.
Und nun war sie
wütend auf ihn, weil er sie gezwungen hatte, sich diesem Dilemma zu stellen.
Warum konnten sie nicht einfach so weitermachen wie bisher?
Drei Wochen lang
hatte Caris kaum mit ihm gesprochen. Sie täuschte eine Sommererkältung vor.
Außerdem hatte sie eine schmerzhafte Entzündung an der Lippe gehabt, was ihr
als Vorwand gedient hatte, ihn nicht zu küssen. Merthin nahm seine Mahlzeiten
noch immer in ihrem Haus ein und sprach freundlich mit ihrem Vater; aber er
blieb nicht mehr, nachdem Edmund und Petronilla zu Bett gegangen waren.
Nun war Caris‘
Entzündung verheilt und ihr Zorn abgeklungen.
Sie wollte noch
immer nicht
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