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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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errichten!«
    Bevor Ralph mit der
schlechten Nachricht nach Earlscastle zurückkehrte, suchte er verzweifelt nach
einer Möglichkeit, seine Niederlage doch noch in einen Sieg zu verwandeln. Wenn
er seinen Bruder schon nicht überreden konnte, die Brücke aufzugeben — gab es
dann vielleicht einen anderen Weg, das Projekt zu verhindern oder zumindest
aufzuhalten?
    Mit Edmund Wooler
oder Prior Godwyn zu reden war sinnlos, das wusste Ralph. Sie hatten sich der
Brücke vermutlich noch mehr verschrieben als Merthin; außerdem würden sie sich
bestimmt nicht von einem einfachen Knappen zu irgendetwas überreden lassen.
    Natürlich könnte
der Graf Ritter schicken, um die Bauarbeiter zu erschlagen; aber das würde mehr
Probleme verursachen als bereinigen.
    Es waren Merthins
Worte, die Ralph schließlich auf eine Idee brachten. Merthin hatte gesagt, dass
Jake Chepstow — der Holzhändler, der Leper Island als Lagerplatz benutzte —
Bäume aus Wales kaufte, um die Steuern und Zölle des Grafen von Shaftesbury zu
umgehen.
    »Mein Bruder meint,
er müsse sich der Autorität des Priors von Kingsbridge unterwerfen«, sagte
Ralph bei seiner Rückkehr zu Graf Roland. Doch ehe der Graf Gelegenheit hatte,
wütend zu werden, fügte Ralph hinzu: »Aber es gibt vielleicht einen noch
besseren Weg, den Bau der Brücke hinauszuzögern. Der Steinbruch der Priorei
liegt im Herzen Eurer Grafschaft, zwischen Shiring und Earlscastle.«
    »Aber er gehört den
verdammten Mönchen!«, schimpfte Roland.
    »Der König hat
ihnen den Steinbruch schon vor Jahrhunderten gegeben. Wir können sie nicht
davon abhalten, dort Steine zu brechen.«
    »Aber Ihr könnt den
Transport mit Zöllen belegen«, sagte Ralph.
    Er hatte ein
schlechtes Gewissen: Er sabotierte ein Projekt, das seinem Bruder sehr am
Herzen lag. Aber es musste getan werden, und so brachte Ralph die Stimme seines
Gewissens zum Schweigen.
    »Die Mönche werden
ihre Steine durch Eure Grafschaft transportieren. Ihre schweren Karren werden
Eure Straßen abnutzen und Eure Furten aufwühlen. Dafür sollten sie zahlen.«
    »Sie werden quieken
wie die Schweine! Sie werden zum König gehen!« »Sollen sie«, erwiderte Ralph.
Es klang selbstbewusster, als er sich fühlte. »Das wird seine Zeit dauern.
Dieses Jahr kann nur noch zwei Monate lang gebaut werden. Vor dem ersten Frost
werden sie mit den Arbeiten aufhören müssen. Mit ein bisschen Glück könntet Ihr
den Beginn der Bauarbeiten bis nächstes Jahr hinauszögern.« Roland blickte
Ralph scharf an. »Vielleicht habe ich dich ja unterschätzt«, sagte er.
»Vielleicht taugst du ja doch zu mehr als nur dazu, Grafen aus dem Fluss zu
ziehen.« Ralph verkniff sich ein triumphierendes Lächeln. »Ich danke Euch,
Mylord.« »Aber wie sollen wir diesen Zoll durchsetzen? Normalerweise erhebt man
Zoll an einer Kreuzung oder an einer Furt — irgendwo, wo jeder Karren
durchmuss.« »Da wir nur an den Steinblöcken interessiert sind, könnten wir
einfach mit einem Trupp Männer vor dem Steinbruch Stellung beziehen.« »Sehr
gut«, sagte der Graf. »Und du kannst die Männer anführen.« Zwei Tage später
näherte Ralph sich dem Steinbruch in Begleitung von vier berittenen Soldaten
und zwei Burschen, die Packpferde mit Zelten und Proviant für eine Woche führten.
Bis jetzt war er zufrieden mit sich selbst. Man hatte ihm eine wichtige Aufgabe
anvertraut. Der Graf hatte erkannt, dass er zu mehr taugte als nur dazu,
Menschen aus einem Fluss zu ziehen. Die Dinge entwickelten sich zum Guten.
    Doch Ralph fühlte
sich unwohl, wenn er daran dachte, was er Merthin nun antun musste. Er hatte
den größten Teil der Nacht wach gelegen und sich an ihre gemeinsame Kindheit
erinnert. Er hatte seinen klugen älteren Bruder stets bewundert. Sie hatten damals
oft miteinander gekämpft, doch wie diese Kämpfe auch ausgegangen waren —
anschließend hatten sie sich stets wieder vertragen. Kämpfe als Erwachsene
jedoch waren nicht so leicht zu vergessen; manchmal war es sogar unmöglich,
nach einem solchen Kampf jemals wieder Frieden zu schließen.
    Ralph machte sich
keine großen Sorgen, was die Auseinandersetzungen mit den Steinbrucharbeitern
der Mönche betraf. Das sollte für Soldaten keine Herausforderung werden. Ralph
hatte zwar keine Ritter dabei — eine solche Arbeit war unter ihrer Würde —,
doch Joseph Woodstock war an seiner Seite, ein harter Bursche, und noch drei
andere Männer. Trotzdem würde er

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