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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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doch sicher nicht gegen den Grafen stellen, oder,
Merthin?«
    »Das also steckt
dahinter«, sagte Merthin. »Roland bietet mir die Arbeit nur an, damit ich die
Brücke nicht bauen kann.«
    »Nicht nur aus
diesem Grund«, sagte Ralph, »Aber wenn ich seinen Palast bauen will, muss ich
die Brücke aufgeben.« Gerald sagte verzweifelt: »Dir bleibt keine Wahl,
Merthin! Der Graf bittet nicht, er befiehlt.« Ralph hätte seinem Vater sagen
können, dass Autorität kein Argument war, das Merthin von irgendetwas zu
überzeugen vermochte.
    Merthin sagte: »Ich
glaube nicht, dass der Graf dem Prior von Kingsbridge Befehle erteilen kann.
Und der hat mir den Auftrag erteilt, die Brücke zu bauen.«
    »Aber er kann dir
Befehle geben.«
    »Er ist nicht mein
Herr.«
    »Sei nicht dumm,
Sohn. Du kannst keinen Kampf gegen einen Grafen gewinnen.«
    »Ich glaube nicht,
dass Graf Roland Streit mit mir hat, Vater. Hier geht es um den Grafen und den
Prior. Roland will mich benutzen wie ein Jäger einen Hund. Ich sollte mich
besser aus dem Kampf zwischen dem Prior und dem Grafen heraushalten.«
    »Und ich denke, du
solltest tun, was der Graf sagt. Vergiss nicht, dass er dein Verwandter ist.«
    Merthin versuchte
es mit einem anderen Argument. »Ist dir je der Gedanke gekommen, welch ein
Verrat an Prior Godwyn es wäre, die Brücke aufzugeben?«
    Gerald schnaubte
verächtlich. »Seit wann schulden wir der Priorei Treue? Schließlich waren es
die Mönche, die uns in den Munt gezwungen haben.«
    »Und die Bürger von
Kingsbridge, die seit zehn Jahren deine Nachbarn und Freunde sind? Sie brauchen
die Brücke. Ihre Existenz hängt davon ab.«
    »Wir sind von
Adel«, sagte sein Vater. »Es ist nicht unsere Aufgabe, die Belange einfacher
Kaufleute in Betracht zu ziehen.«
    Merthin nickte. »Du
magst ja so empfinden, aber als einfacher Zimmermann kann ich deine Ansichten
nicht teilen.«
    »Hier geht es nicht
nur um dich!«, platzte Ralph heraus. Er erkannte, dass er reinen Tisch machen
musste. »Der Graf hat mir einen Auftrag erteilt. Wenn ich Erfolg habe, macht er
mich vielleicht zum Ritter oder wenigstens zu einem niederen Herrn. Sollte ich scheitern,
bleibe ich Junker.«
    Maud sagte: »Es ist
sehr wichtig, dass wir alle uns bemühen, dem Grafen zu gefallen.«
    Merthin schaute
besorgt drein. Sich mit seinem Vater anzulegen machte ihm nichts aus, aber er
mochte es nicht, mit seiner Mutter zu streiten. »Ich habe zugesagt, die Brücke
zu bauen«, sagte er. »Die Stadt zählt auf mich. Ich kann jetzt nicht einfach
Nein sagen.«
    »Natürlich kannst
du das«, widersprach Maud.
    »Ich möchte nicht
in den Ruf kommen, unzuverlässig zu sein.«
    »Jedermann würde
verstehen, wenn du dem Grafen den Vorzug gibst.« »Die Leute mögen es ja
verstehen, aber ihre Achtung würde es mir nicht einbringen.« »Du solltest deine
Familie stets an die erste Stelle setzen!« »Ich habe für diese Brücke
gekämpft«, sagte Merthin stur. »Ich habe einen großartigen Entwurf gemacht, und
ich habe die ganze Stadt davon überzeugt, an mich zu glauben. Außer mir kann
niemand die Brücke bauen — jedenfalls nicht so, wie sie gebaut werden sollte.«
»Wenn du dem Grafen trotzt, muss Ralph darunter leiden!«, sagte seine Mutter.
»Verstehst du das denn nicht?« »Sein Wohl und Wehe sollte nicht von so etwas
abhängen.«
    »So ist es aber.
Bist du bereit, deinen Bruder zu opfern? Nur um einer Brücke willen?« Merthin
erwiderte: »Das ist so ähnlich, als würde ich ihn bitten, Leben zu retten,
indem er nicht in den Krieg zieht.« Gerald sagte: »Jetzt komm aber! Du kannst
einen Zimmermann doch nicht mit einem Soldaten vergleichen.« Das war taktlos,
dachte Ralph. Damit zeigte Gerald wieder einmal, dass er seinen jüngeren Sohn
bevorzugte. Das traf Merthin; Ralph wusste es. Das Gesicht seines Bruders lief
rot an, und er biss sich auf die Lippe.
    »Ich habe nicht
darum gebeten, Zimmermann zu werden«, sagte Merthin schließlich mit der Stimme
eines Mannes, der eine endgültige Entscheidung getroffen hat. »Wie Ralph wollte
auch ich einmal Ritter werden. Das war dumm von mir; das weiß ich jetzt.
Trotzdem war es deine Entscheidung, Vater, dass ich geworden bin, was ich bin.
Du hast mich dazu gemacht — also solltest du lernen, damit zu leben. Und nun
werde ich es in dem Beruf, den zu erlernen du mich gezwungen hast, zu Ruhm und
Erfolg bringen. Eines Tages werde ich das höchste Bauwerk in England

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