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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gar nichts gehört«, sagte Roland.
    Ralph erkannte,
dass der Graf ungehalten war. Was hatte ihn plötzlich so verärgert? »Die Brücke
muss doch neu gebaut werden…?«, sagte Ralph.
    »Da bin ich mir
nicht so sicher«, erwiderte Roland. »Dieser Tage gibt es kaum genug Handel für
zwei Marktplätze, die so nahe bei einander liegen wie Kingsbridge und Shiring.
Und wenn wir schon den Markt in Kingsbridge dulden müssen, heißt das noch lange
nicht, dass wir gute Miene zum bösen Spiel machen sollten, wenn die Priorei
dort nun offen versucht, Kunden von Shiring weg zu locken.« Bischof Richard war
hereingekommen, und nun drehte Roland sich zu ihm um. »Du hast mir gar nichts
von der neuen Brücke in Kingsbridge erzählt.«
    »Weil ich nichts
darüber weiß«, erwiderte Richard.
    »Das solltest du
aber. Du bist der Bischof.« Der Tadel ließ Richard erröten. »Der Bischof von
Kingsbridge lebt seit dem Krieg zwischen König Stephan und Kaiserin Mathilde
vor zweihundert Jahren in Shiring oder der Umgebung. Die Mönche ziehen es nun
mal so vor, und auch die meisten Bischöfe.« »Du solltest aber wenigstens eine
Ahnung davon haben, was in Kingsbridge passiert.« »Da es nun mal nicht so ist —
wärt Ihr so gütig, mir zu sagen, was Ihr erfahren habt?«
    Die Unverschämtheit
prallte an Roland ab. »Die Brücke wird breit genug für zwei Karren sein. Sie
wird dem Markt von Shiring Kunden wegnehmen.« »Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Warum nicht? Du
bist der Abt. Die Mönche müssen dir gehorchen.« »Tun sie aber nicht.«
    »Vielleicht tun sie
es doch, wenn wir ihnen ihren Baumeister wegnehmen. Ralph, kannst du deinen
Bruder davon überzeugen, die Brücke aufzugeben?«
    »Ich kann es
versuchen.«
    »Mach ihm ein
besseres Angebot. Sag ihm, dass ich mir von ihm hier in Earlscastle einen neuen
Palast bauen lassen will.«
    Ralph freute sich,
einen solch wichtigen Auftrag vom Grafen zu bekommen, aber es erschreckte ihn
auch: Er hatte Merthin noch nie zu irgendetwas überreden können. »Jawohl«,
sagte er.
    »Werden sie ohne
ihn weitermachen können?« »Nun, er hat den Auftrag bekommen, weil außer ihm
niemand in Kingsbridge weiß, wie man unter Wasser bauen kann.« Richard
bemerkte: »Er ist mit Sicherheit nicht der einzige Mann in England, der weiß,
wie man eine Brücke baut.« »Trotzdem«, erwiderte William. »Ihnen den
Architekten wegzunehmen würde mit Sicherheit den Bau verzögern — mindestens für
ein Jahr.« »Dann ist es die Sache wert«, sagte Roland entschlossen. Ein
hasserfüllter Ausdruck erschien auf der belebten Seite seines Gesichts, und er
fügte hinzu: »Dieser überhebliche Prior muss an seinen Platz verwiesen werden!«
     
    Das Leben hatte
sich für Gerald und Maud verändert, stellte Ralph fest. Seine Mutter trug ein
neues grünes Kleid für den Kirchgang, sein Vater Lederschuhe. Daheim schmorte
eine mit Äpfeln gefüllte Gans über dem Feuer und erfüllte das Haus mit einem
Duft, dass einem das Wasser im Mund zusammen lief. Dazu gab es das beste
Weizenbrot.
    Das Geld kam von
Merthin, wie Ralph bald erfuhr. »Er bekommt vier Pennys für jeden Tag, den er
an St. Mark arbeitet«, berichtete Maud stolz. »Außerdem baut er ein neues Haus
für Dick Brewer, während er sich darauf vorbereitet, die neue Brücke zu
errichten.«
    Für die Arbeit an
der Brücke, erzählte Merthin, während sein Vater die Gans zerteilte, bekäme er
zwar weniger Geld, erhielte dafür aber Leper Island als Teil des Lohns. Der
letzte verbliebene Aussätzige, ein alter, bettlägeriger Mann, war in ein
kleines Haus im Obsthain der Mönche am anderen Ufer gebracht worden.
    Für Ralph hatte die
offensichtliche Freude seiner Mutter einen bitteren Beigeschmack. Seit seiner
Kindheit hatte er geglaubt, das Schicksal seiner Familie liege in seinen
Händen. Im Alter von vierzehn Jahren hatte man ihn fortgeschickt, in den
Haushalt des Grafen von Shiring, und schon damals hatte er gewusst, dass es
seine Aufgabe war, die Schande seines Vaters zu tilgen, indem er Ritter, vielleicht
sogar Baron oder gar Graf wurde. Merthin hingegen war bei einem Zimmermann in
die Lehre gegeben worden, womit er einen Weg eingeschlagen hatte,  der den
gesellschaftlichen Hügel nur hinunterführen konnte. Baumeister wurden nie zum
Ritter geschlagen.
    Es war ein Trost,
dass wenigstens Gerald nicht so sehr von Merthins Erfolg beeindruckt war. Er
zeigte ein gewisses Maß an Ungeduld, wenn Maud von

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