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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Annets Tochter Amabel, die so schön
war wie einst Annet, ging ein kleines Stück abseits und schien sich für ihre
Mutter zu schämen.
    Am späten Vormittag
erreichten sie Northwood. Nachdem Wulfric  und Gwenda ihre Pflugschar gekauft
hatten, gingen sie zum Mittagessen ins Old Oak.
    Soweit Gwenda
zurückdenken konnte, hatte immer eine ehrwürdige alte Eiche vor dem Wirtshaus
gestanden, ein dicker, gedrungener Baum mit knorrigen Ästen, der im Winter
aussah wie ein gebeugter Greis und im Sommer willkommenen tiefen Schatten
spendete. Gwendas Söhne hatten sich, als sie noch klein waren, gegenseitig um
den Stamm gejagt. Der Baum musste jedoch abgestorben sein oder umzustürzen
gedroht haben, denn man hatte ihn gefällt, und nun gab es nur noch einen Stumpf
von einer Mannslänge im Durchmesser, der von den Gästen als Stuhl, als Tisch
oder — von manchem erschöpften Kärrner — als Bett benutzt wurde.
    Auf der Kante saß
Harry Ploughman, der Vogt von Outhenby, und trank Bier aus einem gewaltigen
Krug.
    Gwenda fühlte sich
augenblicklich um zwölf Jahre zurückversetzt. Noch einmal durchlebte sie die
Hoffnung, die ihr Herz erfüllt hatte, als sie an jenem Morgen von Northwood
aufgebrochen waren, um durch den Wald nach Outhenby einem neuen Leben entgegen zu
gehen, und sie war so überwältigt, dass ihr die Tränen in die Augen traten.
Keine zwei Wochen später war ihre Hoffnung zermalmt und Wulfric — die Erinnerung
weckte noch immer heiße Wut in Gwenda — mit einem Seil um den Hals nach
Wigleigh zurückgeschafft worden.
    Doch seither war
nicht alles nach Ralphs Wünschen verlaufen.
    Die Umstände hatten
ihn gezwungen, Wulfric das Land zurückzugeben, das schon sein Vater bestellt
hatte, eine Entwicklung, die Gwenda mit grimmiger Genugtuung erfüllte. Gwenda
war froh, dass sie heute Grundholde waren und keine landlosen Knechte mehr, und
für Wulfric hatte sich ein Lebenstraum erfüllt. Gwenda aber sehnte sich noch
immer nach mehr Unabhängigkeit — einer Zinspacht ohne Fron, die mit Geld
abgegolten werden konnte, und einer schriftlichen Vereinbarung, aus der sich
kein Grundherr herausreden konnte. Die meisten Hörigen strebten danach, und
seit der Pest wurde sie immer mehr von ihnen zuteil.
    Harry begrüßte
Gwenda und Wulfric überschwänglich und bestand darauf, sie zum Bier einzuladen.
Kurz nach ihrem damaligen Aufenthalt in Outhenby war Harry von Mutter Caris zum
Vogt ernannt worden und hatte die Stellung weiterhin inne, obwohl Caris längst
ihr Amt niedergelegt hatte und die heutige Priorin Mutter Joan hieß. Nach
Harrys Doppelkinn und Bierbauch zu urteilen, gedieh Outhenby weiterhin
prächtig.
    Während sie sich
daranmachten, mit den übrigen Dörflern aus Wigleigh wieder aufzubrechen, sprach
Harry mit leiser Stimme zu Gwenda: »Ein junger Mann namens Sam arbeitet für
mich.«
    Gwendas Herz machte
einen Sprung. »Mein Sam?« »Nein, das kann unmöglich sein.«
    Sie war verblüfft.
Warum erwähnte Harry ihn dann? Doch der Vogt tippte sich an die weinrote Nase,
und Gwenda begriff, dass er sich absichtlich verstellte. »Dieser Sam versichert
mir, dass sein Herr ein Ritter aus Hampshire sei, von dem ich noch nie gehört
habe, und der ihm erlaubt habe, sein Dorf zu verlassen und anderswo zu arbeiten,
während der Herr Eures Sam ja Graf Ralph ist, der nie einen Mann gehen lässt.
Euren Sam kann ich also überhaupt nicht in Dienst genommen haben.« Gwenda
verstand. So würde Harry es sagen, wenn offiziell Fragen gestellt wurden. »Und
er ist also in Outhenby.« »In Oldchurch, einem der kleineren Dörfer im Tal.«
»Geht es ihm gut?«, fragte sie wissbegierig.
    »Er macht sich.«
    »Gott sei Dank.«
    »Ein starker Junge
und guter Arbeiter, aber streitlustig ist er auch.« Das wusste sie. »Lebt er in
einem warmen Haus?« »Er wohnt bei einem gutherzigen älteren Ehepaar, dessen
eigener Sohn in Kingsbridge bei einem Gerber in die Lehre geht.« Gwenda hatte
noch ein Dutzend Fragen, doch plötzlich bemerkte sie die verkrümmte Gestalt
Nathan Reeves. Der Vogt lehnte am Türpfosten der Wirtshaustür und starrte
Gwenda an. Sie verbiss sich einen Fluch. So vieles wollte sie erfahren, doch
sie fürchtete, Nate auch nur den leisesten Hinweis auf Sams Aufenthalt zu
liefern. Sie musste sich mit dem zufriedengeben, was sie erfahren hatte. Und
sie war froh, wenigstens zu wissen, wo sie ihren Sohn finden konnte.
    Sie wandte sich von
Harry ab und versuchte, den Eindruck

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