Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
zu erwecken, sie beende beiläufig ein
belangloses Gespräch. Aus dem Mundwinkel sagte sie: »Haltet ihn aus Kämpfen
raus.«
    »Ich will tun, was
ich kann.«
    Sie winkte flüchtig
und ging Wulfric hinterher.
    Auf dem Heimweg
trug Wulfric die schwere Pflugschar ohne sichtliche Anstrengung auf der
Schulter. Gwenda platzte fast vor Drang, ihm die Neuigkeit mitzuteilen, aber
sie musste warten, bis die Gruppe sich auf der Straße ein wenig
auseinandergezogen hatte und sie und ihr Mann ein paar Schritt weit von den
anderen getrennt waren. Dann erst berichtete sie ihm mit leiser Stimme von
ihrem Gespräch mit Harry.
    Wulfric war
erleichtert. »Dann wissen wir wenigstens, wo der Junge ist«, sagte er, ohne zu
schnaufen, trotz seiner schweren Last.
    »Ich will nach
Outhenby«, sagte Gwenda.
    Wulfric nickte.
»Das dachte ich mir schon.« Er widersprach ihr nur selten, doch nun bekundete
er einen Einwand. »Es ist aber gefährlich. Du musst dafür sorgen, dass niemand
erfährt, wohin du gehst.«
    »Genau. Vor allem
Nate nicht.« »Wie willst du das bewerkstelligen?« »Er wird es sicher merken,
wenn ich ein paar Tage lang nicht im Dorf bin. Wir müssen uns etwas ausdenken.«
»Wir können sagen, du wärst krank.« »Zu gefährlich. Dann kommt er wahrscheinlich
im Haus nachsehen.« »Wir könnten sagen, du bist bei deinem Vater.« »Das würde
Nate nie glauben. Er weiß, dass ich bei ihm nicht länger bleibe, als ich muss.«
Sie kaute an einem Niednagel und zermarterte sich das Hirn. In den
Gespenstergeschichten und Märchen, die Leute einander während der langen
Winterabende am Feuer erzählten, glaubten die Figuren stets die Lügen der
anderen, ohne zu zweifeln; wirkliche Menschen ließen sich nicht so leicht täuschen.
»Wir könnten sagen, ich wäre nach Kingsbridge gegangen«, sagte sie schließlich.
    »Wozu?«
    »Vielleicht, um auf
dem Markt Leghennen zu kaufen?« »Hennen könntest du auch von Annet bekommen.«
»Dem Miststück würde ich nie etwas abkaufen, das weiß jeder.« »Stimmt.«
    »Und Nate weiß,
dass Caris und ich alte Freundinnen sind, also würde er auch glauben, dass ich
bei ihr übernachte.«
    »Gut.«
    Die Geschichte war
nicht besonders originell, doch ihr fiel nichts Besseres ein. Und sie sehnte
sich verzweifelt danach, ihren Sohn wiederzusehen.
    Am nächsten Morgen
ging sie los.
    Schon vor
Sonnenaufgang schlich sie sich aus dem Haus, in einen schweren Mantel gehüllt,
um sich vor dem kalten Märzwind zu schützen. In pechschwarzer Finsternis
durchquerte sie leise das Dorf. Ihren Weg fand sie durch Tasten und aus dem
Gedächtnis. Sie wollte nicht gesehen und befragt werden, ehe sie die Umgebung
verlassen hatte. Doch niemand war schon auf den Beinen. Nathan Reeves Hund
knurrte leise, dann erkannte er sie am Schritt, und sie hörte das leise
Klopfen, mit dem sein Schweif beim Wedeln gegen das Holz der Hundehütte schlug.
    Gwenda ließ das
Dorf zurück und folgte dem Weg durch die Felder. Als der Morgen anbrach, war
sie schon eine Meile weit gekommen. Sie blickte hinter sich auf den Weg. Er war
leer. Niemand folgte ihr.
    Als Frühstück kaute
sie eine harte Brotkruste und machte erst gegen Mittag an einer Schänke Rast,
wo der Weg von Wigleigh nach Kingsbridge den von Northwood nach Outhenby
kreuzte. An der Schänke erkannte sie niemanden. Nervös beobachtete sie die Tür,
während sie eine Schale salziger Fischsuppe aß und einen Schoppen Apfelmost
trank. Jedes Mal, wenn jemand hereinkam, setzte sie an, ihr Gesicht zu
verbergen, doch es war immer ein Fremder, und niemand achtete auf sie. Rasch
ging sie wieder und schlug den Weg nach Outhenby ein.
    Am späten
Nachmittag erreichte sie das Tal. Zwölf Jahre lag es zurück, dass sie zum
letzten Mal hier gewesen war, aber verändert hatte sich nicht viel. Das Tal
schien sich bemerkenswert rasch von der Pest erholt zu haben. Von einigen
kleinen Kindern abgesehen, die bei den Häusern spielten, waren die meisten
Dörfler auf den Feldern und pflügten und säten oder kümmerten sich um die neugeborenen
Lämmer. Von den Äckern aus starrten sie zu Gwenda herüber; denn sie wussten,
dass sie fremd war, und fragten sich, wer sie sei. Aus der Nähe würden sie
einige erkennen. Gwenda hatte nur zehn Tage in Outhenby gelebt, doch das war
eine dramatische Zeit gewesen, und man hatte sie nicht vergessen. Oft erlebten
Dörfler solche Aufregung nicht.
    Sie folgte der
Outhen, die sich durch die Ebene zwischen den

Weitere Kostenlose Bücher