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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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geben, wende ich mich
an Prior Anthony. Der wird auf keinen Fall eine neue Tür in Auftrag geben und
zweimal bezahlen wollen.«
    »Nun«, sagte
Elizabeth nachdenklich, »in der Bibel steht natürlich nicht, dass die
Jungfrauen alle gleich ausgesehen hätten, nur dass fünf klug genug waren, alles
im Voraus vorzubereiten, während fünf andere bis zum letzten Augenblick
gewartet und deshalb das Fest versäumt haben. Aber was ist mit Elfric?«
    »Was soll mit ihm
sein?«
    »Er ist dein
Meister.«
    »Ihn kümmert nur
das Geld.«
    Das überzeugte
Elizabeth nicht. »Das Problem ist, dass du der bessere Handwerker bist. Das ist
schon seit Jahren offensichtlich, und jeder weiß es. Elfric würde es nie
zugeben, und deshalb hasst er dich. Er könnte dafür sorgen, dass du es noch
bereust, diese wunderschöne Tür geschnitzt zu haben.«
    »Du siehst in allem
nur das Schlechte.« »Ach ja?« Jetzt war sie beleidigt. »Wir werden ja sehen, ob
ich recht habe. Ich hoffe, ich irre mich.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Elizabeth?« »Ja.« »Es freut mich, dass meine Arbeit dir gefällt.« Sie
erwiderte nichts darauf, wirkte aber schon wieder ein wenig besänftigt. Sie
winkte zum Abschied und ging.
    Merthin kam zu dem
Schluss, dass die Tür fertig war, und wickelte sie in grobes Sackleinen. Er
würde sie Elfric zeigen müssen, und jetzt war genauso gut wie später.
Wenigstens hatte der Regen erst einmal aufgehört.
    Merthin holte einen
der Arbeiter, damit der ihm beim Tragen der Tür half. Steinmetze hatten eine
spezielle Technik, um schwere, unhandliche Dinge zu transportieren: auf zwei
parallele Stangen wurden über Kreuz Bretter gelegt, wodurch eine stabile
Tragefläche geschaffen wurde. Dann wuchteten sie den Gegenstand auf die
Bretter. Anschließend stellte sich je ein Mann an beiden Enden zwischen die
Stangen und hob sie an. Diese Tragevorrichtung wurde Bahre genannt; sie diente
auch dazu, Kranke ins Hospital zu bringen.
    Die Tür war
allerdings sehr schwer, doch Merthin war schweres Tragen gewöhnt. Elfric hatte
Merthins schmächtige Statur nie als Entschuldigung gelten  lassen, mit  dem
Ergebnis, dass er nun erstaunlich kräftig war.
    Die beiden Männer
erreichten Elfrics Haus und trugen die Tür hinein. Griselda saß in der Küche.
Sie schien mit jedem Tag üppiger zu werden; sogar ihre großen Brüste wuchsen
weiter. Merthin hasste es, mit jemandem im Streit zu liegen, und so fragte er
freundlich, als er an ihr vorüberging: »Möchtest du gern meine Tür sehen?«
    »Warum sollte ich
mir eine Tür anschauen?« »Sie ist beschnitzt.
    Mit dem Gleichnis
von den zehn Jungfrauen.« Sie lachte freudlos.
    »Erzähl du mir
nichts von Jungfrauen!« Sie trugen die Tür in den Hof. Merthin verstand die
Frauen einfach nicht. Seit sie miteinander geschlafen hatten, war Griselda ihm
kalt und abweisend begegnet.
    Wenn sie so
empfand, warum hatte sie es dann überhaupt getan? Wie dem auch sei, sie machte
deutlich, dass sie es nicht noch einmal tun wollte. Merthin hätte ihr
versichern können, dass er genauso empfand — tatsächlich ließ allein schon der
Gedanke ihn schaudern —, doch das wäre eine Beleidigung gewesen, und so schwieg
er.
    Sie stellten die
Bahre ab, und Merthins Helfer ging. Elfric war im Hof. Er hatte den stämmigen
Leib über einen Holzstapel gebeugt, zählte die Balken, indem er jeden mit einem
langen, eckig geschnittenen Stab antippte, und schob dabei die Zunge in die
Wange, als wäre das Zählen eine immense geistige Herausforderung. Kurz funkelte
er Merthin an und machte dann weiter. Merthin schwieg, wickelte die Tür aus und
lehnte sie an einen Haufen Steine. Er war überaus stolz auf seine Arbeit. Zwar
war er der traditionellen Art der Darstellung treu geblieben, hatte aber
gleichzeitig etwas Originelles geschaffen. Er konnte es kaum erwarten, seine
Tür im Kirchenportal zu sehen.
    »Siebenundvierzig«,
sagte Elfric und drehte sich dann zu Merthin um.
    »Ich bin mit der
Tür fertig«, sagte Merthin stolz. »Was meint Ihr dazu?« Elfric schaute sich die
Tür einen Moment lang an, wobei die Flügel seiner überdimensionalen Nase vor
Staunen zuckten. Dann, ohne Vorwarnung, schlug er Merthin mit dem Stab, den er
zum Zählen benutzt hatte, ins Gesicht. Es war ein massives Stück Holz, und der
Schlag war mit Wucht geführt. Merthin schrie auf, taumelte zurück und fiel zu
Boden.
    »Du verdammtes
Stück Dreck!«, brüllte Elfric. »Du hast meine Tochter

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