Die Tore der Welt
beschmutzt!«
Merthin versuchte
zu protestieren, doch sein Mund war voller Blut.
»Wie kannst du es
wagen?«, geiferte Elfric.
Wie aufs Stichwort
kam Alice aus dem Haus gestürzt. »Du Schlange!«, kreischte sie. »Du hast dich
in unser Heim eingeschlichen und unserem kleinen Mädchen die Unschuld geraubt!«
Alice und Elfric
versuchten, den Anschein aufrichtiger Empörung zu erwecken, doch sie mussten
die Sache geplant haben, wie Merthin nur zu deutlich erkannte. Er spie Blut und
sagte: »Die Unschuld geraubt? Sie war keine Jungfrau mehr!«
Elfric schlug
erneut mit seinem Behelfsknüppel zu. Merthin rollte sich herum, doch der Schlag
traf ihn schmerzhaft an der Schulter.
Alice jammerte:
»Wie konntest du Caris das antun? Meine arme Schwester … Wenn sie es
herausfindet, bricht es ihr das Herz.«
Merthin konnte sich
eine Antwort nicht verkneifen. »Und du wirst schon dafür sorgen, dass sie es
erfährt, nicht wahr, du Hexe!«
»Jedenfalls wirst
du Griselda nicht heimlich heiraten«, sagte Alice.
Merthin konnte es
nicht fassen. »Griselda? Heiraten? Ich werde sie nicht heiraten! Sie hasst
mich!«
Bei diesen Worten
erschien Griselda. »Ja, und ich würde dich auch niemals heiraten«, sagte sie,
»aber ich muss. Ich bin schwanger.«
Merthin starrte sie
an. »Das ist unmöglich. Wir haben es nur ein einziges Mal getan!«
Elfric lachte
hässlich. »Ein einziges Mal genügt ja auch, du Tollkopf! « »Ich werde sie
trotzdem nicht heiraten.« »Wenn nicht, wirst du entlassen«, sagte Elfric. »Das
könnt Ihr nicht machen!« »Warum nicht?« »Mir egal. Ich werde sie jedenfalls
nicht heiraten.« Elfric ließ den Knüppel fallen und ergriff eine Axt. Merthin
stieß hervor: »Gütiger Herr Jesus!« Alice trat einen Schritt vor. »Elfric,
versündige dich keines Mordes !« »Aus dem Weg, Weib!« Elfric hob die Axt.
Merthin, der noch
immer auf dem Boden lag, fürchtete um sein Leben und kroch davon.
Elfric schlug mit
der Axt zu — doch nicht auf Merthin, sondern auf dessen Tür.
Merthin schrie:
»Nein!«
Das scharfe
Axtblatt drang ins Antlitz einer langhaarigen Jungfrau und spaltete das Holz
entlang der Maserung. Merthin brüllte: »Hörtauf!«
Elfric hob die Axt
erneut. Diesmal schlug er noch härter zu. Das Blatt spaltete die Tür in zwei
Teile.
Merthin sprang auf.
Zu seinem Entsetzen spürte er, wie seine Augen sich mit Tränen füllten. »Dazu
habt Ihr kein Recht!« Er versuchte zu schreien, doch seine Stimme war nur ein
raues Flüstern tief in der Kehle.
Elfric hob erneut
die Axt und drehte sich zu ihm um. »Bleib, wo du bist, Junge. Führe mich nicht
in Versuchung.«
Merthin sah ein
verrücktes Leuchten in Elfrics Augen und wich zurück.
Elfric drosch
wieder auf die Tür ein.
Und Merthin stand
nur da und schaute zu, während ihm Tränen über die Wangen liefen.
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KAPITEL 11
Die beiden Hunde,
Skip und Scrap, begrüßten einander freudig.
Sie stammten aus
demselben Wurf, obwohl es ihnen nicht anzusehen war: Skip war ein brauner Rüde,
Scrap eine kleine schwarze Hündin. Skip war ein typischer Dorfhund, hager und
argwöhnisch; die Stadtbewohnerin Scrap hingegen war zutraulich und wohlgenährt.
Es war nun zehn
Jahre her, seit Gwenda sich Skip aus einem Mischlingswurf ausgesucht hatte,
auf dem Boden von Caris‘ Schlafzimmer im großen Haus des Wollhändlers, an dem
Tag, als Caris‘ Mutter gestorben war. Seit damals waren Gwenda und Caris enge
Freundinnen. Sie trafen sich nur zwei-, dreimal im Jahr, doch sie teilten all
ihre Geheimnisse. Gwenda hatte das Gefühl, Caris alles sagen zu können, ohne
befürchten zu müssen, dass ihre Eltern oder sonst jemand in Wigleigh davon
erfuhr. Caris, nahm sie an, dachte umgekehrt genauso: Da Gwenda nicht mit
anderen Mädchen aus Kingsbridge sprach, bestand nicht die Gefahr, dass ihr
unbedacht etwas herausrutschte.
Gwenda traf am
Freitag der Wollmarktwoche in Kingsbridge ein.
Ihr Vater, Joby,
ging zum Marktplatz vor der Kathedrale, um Eichhörnchenfelle zu verkaufen. Die
Tiere hatte er im Wald bei Wigleigh gefangen. Gwenda ging gleich zu Caris‘
Haus, und die beiden Hunde wurden wieder vereint.
Wie immer sprachen
Gwenda und Caris über Jungen. »Merthin ist seit Kurzem so seltsam«, sagte
Caris. »Am Sonntag war er noch ganz normal und hat mich in der Kirche geküsst;
aber am Montag konnte er mir kaum in die Augen schauen.«
»Vielleicht fühlt
er sich wegen irgendetwas schuldig«, meinte
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