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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gwenda.
    »Ja, es könnte mit
Elizabeth Clerk zu tun haben. Sie hat schon immer ein Auge auf ihn geworfen,
obwohl sie eine hässliche Hexe und viel zu alt für ihn ist.«
    »Habt ihr es schon
getan, du und Merthin?« »Was getan?«
    »Du weißt schon …
Als ich klein war, habe ich immer ›Grunzen‹ dazu gesagt, wegen der
Geräusche, die Erwachsene dabei machen.«
    »Oh, das! Nein,
noch nicht.« »Warum nicht?« »Ich weiß nicht… «
    »Willst du nicht?«
    »Doch, schon …
Machst du dir denn keine Gedanken darüber, den Rest deines Lebens einem Mann
gehorchen zu müssen?«
    Gwenda zuckte mit
den Schultern. »Mir gefällt die Vorstellung nicht, aber ich zerbreche mir auch
nicht den Kopf darüber.«
    »Und du? Hast du es
schon getan?«
    »Was?«
    »Das Grunzen.«
    »Naja, nicht so
richtig. Vorjahren hab ich ‚s mal probiert, mit einem Jungen aus dem
Nachbardorf, nur um zu sehen, wie das so ist.
    Es glüht im Bauch,
wie wenn man Wein trinkt. Das war das einzige Mal. Aber Wulfric würde ich
grunzen lassen, wann immer er will.«
    »Wulfric? Das ist
neu!«
    »Ich weiß. Aber ich
kenne ihn, seit wir Kinder waren. Damals hat er mich immer an den Haaren
gezogen und ist dann weggerannt.
    Aber irgendwann
einmal, kurz nach Weihnachten, habe ich ihn mir so richtig angeschaut, als er
in die Kirche kam, und da hab ich zum ersten Mal bemerkt, dass er ein Mann
geworden ist. Und nicht bloß irgendein Mann, sondern ein schrecklich gut
aussehender Bursche. Er hatte Schnee im Haar und einen senffarbenen Schal um
den Hals, und er sah aus, als würde er von innen heraus leuchten!«
    »Liebst du ihn?«
    Gwenda seufzte. Sie
wusste nicht, wie sie ihre Gefühle in Worte kleiden sollte. Es war nicht
einfach nur Liebe. Sie dachte die ganze Zeit an Wulfric; sie wusste gar nicht,
wie sie ohne ihn leben sollte.
    Sie träumte davon,
ihn zu entführen und in einer Hütte irgendwo tief im Wald einzusperren, damit
er ja nie wieder weglaufen konnte.
    »Du brauchst nichts
zu sagen, deine Miene ist Antwort genug«, sagte Caris. »Liebt er dich auch?«
    Gwenda schüttelte
den Kopf. »Er spricht nicht mal mit mir. Ich wünschte, er würde irgendwas tun,
damit ich sehen könnte, dass er wenigstens weiß, wer ich bin — und wenn er mich
nur an den Haaren ziehen würde wie früher! Aber er hat es auf Annet abgesehen,
die Tochter von Perkin. Er vergöttert diese selbstsüchtige Kuh! Der alte
Perkin und
Wulfrics Vater sind die beiden reichsten Männer im Dorf.
    Perkin züchtet
Legehennen und verkauft sie, und Wulfrics Vater hat viel Land. Fünfzig Morgen!«
    »Bei dir hört sich
das alles so hoffnungslos an.« »Ach, ich weiß nicht. Was heißt schon
hoffnungslos? Annet könnte ja sterben. Oder Wulfric erkennt plötzlich, dass er
mich liebt. Oder mein Vater wird zum Grafen erhoben und befiehlt Wulfric, mich
zu heiraten.« Caris lächelte. »Du hast recht. Liebe ist niemals hoffnungslos.
Ich würde den Jungen gern mal sehen.« Gwenda stand auf. »Ich hatte gehofft,
dass du das sagst. Gehen wir ihn suchen.« Sie verließen das Haus; die Hunde
sprangen hinterdrein. Der heftige Regen, der die Stadt Anfang der Woche
heimgesucht hatte, war inzwischen gelegentlichen Schauern gewichen, doch die
Hauptstraße war noch immer ein einziges Meer aus Pfützen und Schlamm, der wegen
des Marktes überdies mit Tierkot, verrottendem Gemüse und dem Dreck Tausender
Besucher vermischt war.
    Während die Mädchen
durch die stinkenden Pfützen platschten, erkundigte Caris sich nach Gwendas
Familie.
    »Unsere Kuh ist
gestorben«, berichtete Gwenda. »Pa muss eine neue kaufen; aber ich weiß nicht,
wie er das anstellen will. Er hat nur ein paar Eichhörnchenfelle zu verkaufen.«
    »Eine Kuh kostet
dieses Jahr zwölf Shilling«, sagte Caris besorgt.
    »Das sind
hundertvierundvierzig Silberpennys.« Caris rechnete stets alles im Kopf.
Buonaventura Caroli hatte ihr arabische Zahlen beigebracht, und sie sagte
immer, das mache das Rechnen viel leichter.
    »Die letzten paar
Winter hat die Kuh uns am Leben erhalten, besonders die Kleinen.« Hunger war
Gwenda nur allzu vertraut.
    Trotz der Milchkuh
waren vier von Mas Babys gestorben. Kein Wunder, dass Philemon sich so sehr
gewünscht hatte, Mönch zu werden. Jeden Tag eine herzhafte Mahlzeit zu bekommen
war fast jedes Opfer wert.
    Caris fragte: »Was
wird dein Vater tun?« »Irgendwas unter der Hand. Es ist schwer, eine Kuh zu
stehlen — man kann sie sich nicht einfach in die

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