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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Moral.
    Mein Vater hatte
damals auch jemanden, der bereit war, die Drecksarbeit für ihn zu tun …
Gerüchte in Umlauf bringen, Streit schüren und dergleichen. Solche Männer
können sich als äußerst wertvoll erweisen.«
    »Dann meinst du
also nicht, dass ich den Diebstahl melden sollte?«
    »Sicher nicht. Lass
Philemon den Armreif zurückgeben, wenn du es für wichtig hältst. Er kann ja
sagen, er hätte ihn beim Putzen gefunden. Aber stelle Philemon nicht bloß. Du
wirst noch deinen Vorteil davon haben, denk an meine Worte.«
    »Dann sollte ich
ihn beschützen?«
    »Halte ihn wie
einen scharfen Hund, der jeden Eindringling angreift. Er ist gefährlich, aber
er ist es wert.«
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KAPITEL 10
    Am Donnerstag wurde
Merthin mit der Tür fertig.
    Vorerst hatte er
seine Arbeit im südlichen Seitenschiff beendet.
    Das Gerüst stand an
Ort und Stelle. Er musste keine Verschalung für die Steinmetze bauen, da Godwyn
und Thomas beschlossen hatten, Geld zu sparen und es mit Merthins Methode zu
versuchen.
    So kehrte er zu
seiner Schnitzerei zurück, erkannte jedoch, dass es nur wenig für ihn zu tun
gab. Eine Stunde lang schnitzte er am Haar einer der klugen Jungfrauen, um sich
dann mit dem dümmlich lächelnden Gesicht einer der törichten zu beschäftigen,
doch er war nicht sicher, ob er sein Werk damit wirklich besser machte. Tatsächlich
fiel es ihm im Augenblick schwer, überhaupt irgendwelche Entscheidungen zu
treffen, denn seine Gedanken wanderten immer wieder zu Caris und Griselda
zurück.
    Die ganze Woche
hatte er es kaum über sich gebracht, mit Caris zu reden, so sehr schämte er
sich. Jedes Mal, wenn er Caris sah, dachte er daran, wie er Griselda umarmt und
geküsst und den Geschlechtsakt mit ihr vollzogen hatte — mit einem Mädchen, das
er nicht einmal mochte, geschweige denn liebte. Ehe das geschehen war, hatte
Merthin viele glückliche Stunden damit verbracht, sich vorzustellen, mit Caris
der fleischlichen Lust zu frönen; nun aber erfüllte diese Aussicht ihn mit Furcht.
Natürlich war nichts verkehrt an Griselda — nun, eigentlich schon, aber das
störte ihn nicht. Er hätte ebenso empfunden, hätte er bei einer anderen Frau
gelegen — von Caris natürlich abgesehen. Es hatte nichts mit Griselda zu tun,
sondern mit dem Beischlaf als solchem; das Schäferstündchen mit Griselda hatte
ihm seine Bedeutung genommen, und nun konnte Merthin der Frau, die er liebte,
nicht mehr gegenübertreten.
    Während er sein
Werk anstarrte und versuchte, nicht an Caris zu denken und zu entscheiden, ob
die Tür nun fertig war oder nicht, kam Elizabeth Clerk ans Nordportal. Sie war
eine blasse, dünne Schönheit
von fünfundzwanzig Jahren mit einer wahren Wolke blonder Locken. Ihr Vater war
Bischof von Kingsbridge gewesen, ehe Richard dieses Amt übernommen hatte. Wie
Richard hatte auch Elizabeth‘ Vater im Bischofspalast von Shiring gewohnt, doch
bei seinen vielen Besuchen in Kingsbridge hatte er sich in eine Schankmaid aus Bells
Gasthaus verguckt — Elizabeth‘ Mutter. Ihrer illegitimen Geburt wegen war Elizabeth
sehr empfindlich, was ihre gesellschaftliche Stellung betraf, und schnell
beleidigt. Doch Merthin mochte sie, denn sie war klug, und als er achtzehn
gewesen war, hatte sie ihn geküsst und ihn ihre Brüste berühren lassen, die
sehr flach und wie aus Tellern modelliert waren und deren Warzen schon bei der
sanftesten Berührung hart wurden. Ihre Romanze hatte mit einem Scherz Merthins
über lüsterne Pfaffen ein abruptes Ende gefunden — ein Jux, der Merthin trivial,
Elizabeth jedoch unverzeihlich erschienen war. Doch Merthin mochte sie noch
immer.
    Elizabeth berührte
seine Schulter und schaute sich die Tür an.
    Ihre Hand wanderte
zum Mund, und sie schnappte vor Staunen nach Luft. »Die wirken ja richtig
lebendig!«, rief sie.
    Merthin freute
sich. Elizabeth war nicht freigiebig mit Lob.
    Trotzdem hatte er
das Gefühl, sich in Bescheidenheit üben zu müssen. »Das liegt nur daran, weil
ich jeder Jungfrau ihr eigenes Aussehen gegeben habe. Auf der alten Tür waren
die Jungfrauen alle gleich.«
    »Es ist mehr als
nur das. Sie sehen aus, als würden sie gleich aus dem Holz herauskommen, um mit
uns zu reden.«
    »Danke.«
    »Aber das ist so
anders als alles sonst in der Kathedrale. Was werden die Mönche sagen?« »Bruder
Thomas gefällt es.« »Was ist mit dem Mesner?«
    »Godwyn? Ich weiß
nicht, was er davon halten wird. Aber sollte es Probleme

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