Die Tore der Welt
verkaufen!«
»Sim braucht ein
Weib, und ich brauche eine Kuh«, entgegnete Pa. »Es ist ganz einfach.«
Sim sprach zum
ersten Mal. »Deine Tochter ist jedenfalls hässlich genug, dass du froh sein
kannst, die Kuh dafür zu kriegen.«
»Das ist
lächerlich!«, rief Gwenda.
Sim grinste sie an.
»Mach dir keine Sorgen, meine Süße«, sagte er. »Ich werde gut zu dir sein,
solange du dich benimmst und tust, was man dir sagt.«
Gwenda erkannte,
dass die Männer es ernst meinten. Sie glaubten tatsächlich, diesen Handel
machen zu können. Eine kalte Nadel der Furcht drang in ihr Herz, als ihr klar
wurde, dass die Kerle vielleicht sogar damit durchkommen würden.
Caris meldete sich
zu Wort. »Dieser Scherz hat jetzt lange genug gedauert«, sagte sie mit lauter,
klarer Stimme. »Lasst Gwenda sofort frei.«
Sim zeigte sich von
ihrer befehlenden Art nicht im Mindesten beeindruckt. »Und wer seid Ihr, dass
Ihr hier Befehle gebt?« »Mein Vater ist Ratsältester in dieser Stadt.«
»Aber Ihr nicht«,
entgegnete Sim. »Und selbst wenn Ihr es wärt, so hättet Ihr keine Autorität
über mich oder meinen Freund Joby.«
»Ihr könnt kein
Mädchen gegen eine Kuh tauschen!« »Warum nicht?«, erwiderte Sim. »Es ist meine
Kuh, und das Mädchen ist seine Tochter.« Ihre erhobenen Stimmen erregten die
Aufmerksamkeit von Passanten, die stehen blieben und das mit einem Strick
gebundene Mädchen anstarrten. Jemand fragte: »Was geschieht da?« Ein anderer
antwortete: »Er hat seine Tochter für eine Kuh verkauft.« Gwenda sah
aufkeimende Panik im Gesicht ihres Vaters.
Er wünschte, er
hätte dieses Geschäft in einer ruhigen Gasse abgewickelt, aber er war nicht
klug genug, als dass er die Reaktion der Leute vorhergesehen hätte. Gwenda
erkannte, dass die Zuschauer vielleicht ihre einzige Hoffnung darstellten.
Caris winkte einem
Mönch, der gerade aus dem Klostertor schlurfte. »Bruder Godwyn!«, rief sie.
»Kommt bitte her und schlichtet diesen Streit.« Sie schaute Sim triumphierend
an. »Die Priorei hat die Gerichtsbarkeit über jeden Handel, der auf dem
Wollmarkt abgeschlossen wird«, erklärte sie. »Bruder Godwyn ist der Mesner. Ich
denke, seine Autorität werdet Ihr anerkennen müssen.«
Godwyn sagte: »Gott
zum Gruße, Base Caris. Was ist hier los?«
Sim grunzte
angewidert. »Euer Vetter, ja?« Godwyn warf ihm einen eisigen Blick zu. »Um was
immer es hier gehen mag, als Mann Gottes werde ich versuchen, ein gerechtes
Urteil zu fällen.« »Oh, gewiss. Ich freue mich, das zu hören, gnädiger Herr«,
sagte Sim kriecherisch.
Joby gab sich
ebenso schmeichlerisch. »Ich kenne Euch, Bruder.
Mein Sohn Philemon
ist Euch treu ergeben. Ihr seid für ihn stets die Güte in Person gewesen.«
»Ja, ja, genug
davon«, sagte Godwyn. »Was geht hier vor?« Caris erklärte: »Joby will Gwenda
gegen eine Kuh tauschen. Sag ihm, dass er das nicht kann.« Joby erklärte: »Sie
ist meine Tochter, ehrwürdiger Bruder, und sie ist achtzehn Jahre alt und
unverheiratet; also kann ich mit ihr tun und lassen, was ich will.« Godwyn
entgegnete: »Guter Mann, seine Kinder zu verkaufen ist schändlich!« Jobys Stimme
nahm einen jämmerlichen Tonfall an. »Ich würde es ja nicht tun, Herr, nur dass
ich noch drei mehr daheim habe, und ich bin ein landloser Tagelöhner. Es fehlt
mir an Mitteln, meine Kinder ohne Kuh durch den Winter zu bringen, und unsere
alte ist gestorben.«
Ein mitfühlendes
Raunen ging durch die noch immer wachsende Zuschauermenge. Die Menschen
wussten, wie hart die Winter sein konnten und zu welch extremen Mitteln ein
Mann bisweilen greifen musste, um seine Familie zu ernähren. Verzweiflung
keimte in Gwenda auf.
Sim sagte: »Ihr
mögt es ja für schändlich halten, Bruder Godwyn, aber ist es auch eine Sünde?«
Er sprach, als kenne er die Antwort bereits. In Gwenda stieg die Ahnung auf,
dass er diese Diskussion schon einmal geführt hatte, nur an einem anderen Ort.
Mit
offensichtlichem Widerwillen erklärte Godwyn: »Die Bibel scheint in der Tat den
Verkauf der Tochter in die Sklaverei zu erlauben. Buch Exodus, Kapitel
einundzwanzig.«
»Da habt Ihr´s!«,
rief Sim. »Es ist eine christliche Tat!« Caris war außer sich. »Das Buch
Exodus!«, sagte sie verächtlich.
Eine der
Umstehenden mischte sich ein. »Wir sind nicht die Kinder Israels«, sagte sie.
Es war eine kleine, stämmige Frau mit Unterbiss, was ihr ein entschlossenes
Aussehen verlieh. Zwar war sie
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