Die Tore der Welt
schicken, die Kuh ein missgestaltes Kalb gebären lassen oder den
Ehemann unfruchtbar machen. Selbst die Ärzte der Priorei gaben zu, dass Gebete
zu den Heiligen wirksamer seien als ihre Medizin.
Mattie fuhr fort:
»Verzweifle nicht. Ich kann dir einen Liebestrank brauen.« »Ich würde ihn ja
gerne nehmen, aber ich hab kein Geld.« »Ich weiß. Doch deine Freundin Caris mag
dich wirklich sehr, und sie will, dass du glücklich bist. Sie ist mit dir zu
mir gekommen, weil sie bereit ist, für den Trank zu bezahlen. Allerdings musst
du ihn genau nach Anweisung benutzen. Kannst du den Jungen eine Stunde für dich
allein bekommen?« »Ich finde schon eine Möglichkeit.«
»Dann gib ihm etwas
zu trinken, und tu den Trank hinein. Nach kurzer Zeit wird er sich nach Liebe
verzehren. Sieh zu, dass du dann mit ihm allein bist, denn sollte ein anderes
Mädchen in der Nähe sein, wird er vielleicht ihr verfallen. Halt ihn also von
anderen Frauen fern, und sei nett zu ihm. Er wird dich für die
begehrenswerteste Frau der Welt halten. Küsse ihn, sag ihm, wie wunderbar er
ist, und — wenn du willst — verführe‘ ihn. Nach einer Weile wird er einschlafen.
Wenn er wieder aufwacht, wird er sich daran erinnern, dass er die glücklichste
Stunde seines Lebens in deinen Armen verbracht hat, und er wird es so schnell
wie möglich wieder tun wollen.«
»Aber brauche ich
dann nicht noch einen Trank?« »Nein. Beim zweiten Mal wird deine Liebe reichen,
deine Lust und deine Weiblichkeit. Jede Frau vermag einen Mann glückselig zu
machen, wenn er ihr nur die Gelegenheit dazu gibt.« Allein schon die
Vorstellung weckte Gwendas Verlangen. »Ich kann es kaum erwarten.« »Dann lasst
uns den Trank mischen.« Mattie wuchtete sich vom Stuhl hoch.
»Ihr könnt ruhig
hinter den Vorhang kommen«, sagte sie, und Gwenda und Caris folgten ihr. »Er
dient nur dazu, die Unwissenden fernzuhalten.« Die Küche besaß einen sauberen
Steinfußboden und einen großen Herd mit weit mehr Ständern und Haken für Kochtöpfe,
als eine alte Frau für sich benötigte. Es gab auch einen schweren alten Tisch,
fleckig und angesengt, aber sauber geschrubbt, dazu ein Regal mit Tonkrügen und
einen abgeschlossenen Schrank, der vermutlich die wertvolleren Ingredienzien
für Matties Tränke enthielt.
An der Wand hing
eine große Schiefertafel mit Zahlen und Buchstaben darauf, wahrscheinlich
Rezepturen. »Warum musst du das alles hinter einem Vorhang verstecken?«, fragte
Gwenda.
»Einen Mann, der
Medizin herstellt, nennt man einen Apotheker, doch eine Frau, die das Gleiche
tut, geht das Risiko ein, eine Hexe gerufen zu werden. Es gibt eine Frau in der
Stadt, die man die verrückte Neil nennt. Sie läuft herum und schreit nach dem
Teufel. Friar Murdo, der wandernde Bettelmönch, hat sie der Ketzerei angeklagt.
Neil ist tatsächlich verrückt, aber sie tut niemandem etwas zuleide. Trotzdem
besteht Murdo auf einem Prozess. Die Männer gönnen sich gerne mal den Spaß,
eine Frau umzubringen, und Murdo wird ihnen einen Vorwand dafür liefern und
anschließend ihre Pennys als Almosen einsammeln. Deshalb sage ich den Leuten immer,
dass nur Gott Wunder zu wirken vermag. Ich beschwöre keine Geister. Ich nutze
nur die Kräuter des Waldes und meine Beobachtungsgabe.«
Während Mattie
redete, bewegte Caris sich so selbstverständlich durch die Küche, als wäre sie
daheim. Sie stellte eine Schüssel und eine Phiole auf den Tisch. Mattie reichte
ihr einen Schlüssel, und Caris öffnete den Schrank. »Gib drei Tropfen
Mohnessenz in einen Löffel destillierten Wein«, sagte Mattie. »Wir müssen
vorsichtig sein, damit die Mischung nicht zu stark wird, sonst schläft er zu
schnell ein.«
Gwenda staunte.
»Braust du den Trank, Caris?« »Ich helfe Mattie hin und wieder. Sag Petronilla
nichts davon. Sie würde es nicht verstehen.« »Ich würde ihr nicht mal sagen,
wenn ihre Haare in Flammen stünden.« Caris‘ Tante mochte Gwenda nicht —
vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem sie auch Mattie missbilligen würde:
Beide waren niederen Standes, und der gesellschaftliche Rang war für Petronilla
von großer Bedeutung.
Aber warum
arbeitete Caris, die Tochter eines wohlhabenden Mannes, als Gehilfin in der
Küche einer weisen Frau, die in einer Seitenstraße wohnte? Während Caris die
Mischung anrührte, erinnerte Gwenda sich daran, dass ihre Freundin schon immer
neugierig gewesen war, was Krankheiten und deren Heilung
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