Die Tore der Welt
alle zu. Ich werde jetzt ein Urteil
in dieser Angelegenheit fällen. Jene, die mit meiner Entscheidung nicht
übereinstimmen, können sich beim Prior beschweren. Wenn hier noch irgend jemand
irgendwen stößt oder sonst wie grob wird, werde ich alle Beteiligten verhaften.
Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.« Er schaute sich kriegerisch
um. Niemand sagte ein Wort. Alle wollten seine Entscheidung hören. John fuhr
fort: »Ich kenne keinen Grund, weshalb dieser Handel ungesetzlich sein sollte;
daher wird Sim Chapman erlaubt, das Mädchen zu nehmen und seines Weges zu
ziehen.« Joby sagte: »Das hab ich doch gleich gesagt …« »Halt dein verdammtes
Maul, du Narr«, unterbrach ihn der Büttel. »Und du, Sim, mach, dass du
wegkommst, und zwar schnell. Madge Webber, wenn du auch nur die Hand hebst,
stelle ich dich an den Pranger, und davon wird mich auch dein Mann nicht
abhalten. Und von Euch kein Wort, Caris Wooler, bitte … Wenn Ihr wollt, könnt
Ihr Euch bei Eurem Vater über mich beschweren.« Noch bevor John zu Ende geredet
hatte, riss Sim an dem Strick. Gwenda stolperte nach vorne und streckte den Fuß
aus, um nicht hinzufallen; dann setzte sie sich die Straße hinunter in
Bewegung, halb taumelnd, halb rennend. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie Caris
neben sich. Dann aber packte John Constable Caris am Arm, und einen Augenblick
später war sie aus Gwendas Blickfeld verschwunden.
Sim stapfte rasch
über die verschlammte Hauptstraße und riss dabei immer wieder an dem Strick, um
Gwenda aus dem Gleichgewicht zu bringen. Als sie sich der Brücke näherten,
brach Gwendas Verzweiflung sich langsam Bahn. Sie versuchte, an dem Strick zu
zerren, doch Sim antwortete mit einem extra starken Ruck, der Gwenda in den
Schlamm schleuderte. Ihre Arme waren noch immer fest an den Leib gedrückt,
sodass sie sich nicht mit den Händen schützen konnte. Sie klatschte mit dem
Gesicht in den Dreck und quetschte sich den Busen. Mühsam rappelte sie sich
hoch und gab allen Widerstand auf. Am Strick wie ein Tier, verletzt,
verängstigt und voller Dreck taumelte sie hinter ihrem neuen Eigentümer her
über die Brücke und auf die Straße, die in den Wald führte.
Sim Chapman führte
Gwenda durch die Vorstadt, Newtown genannt, zur Kreuzung von Gallows Cross, wo
Verbrecher gehängt wurden. Dort nahm er die Straße nach Süden in Richtung Wigleigh.
Er band den Strick
an sein Handgelenk, sodass Gwenda sich nicht von ihm losreißen konnte, selbst
wenn seine Aufmerksamkeit mal einen Augenblick nachließ. Gwendas Hund, Skip,
folgte ihnen, doch Sim warf Steine nach ihm. Als einer Skip auf die Nase traf,
zog er sich winselnd zurück, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt.
Nach mehreren
Meilen, als die Sonne versank, bog Sim von der Straße in den Wald ab. Gwenda
hatte am Straßenrand nichts gesehen, was ihr aufgefallen wäre, doch Sim schien
die Stelle mit Bedacht gewählt zu haben, denn nachdem sie ein paar hundert
Schritt in den Wald hineingegangen waren, stießen sie auf einen Pfad.
Gwenda sah die
Abdrücke von Dutzenden kleiner Hufe in der Erde, und sie erkannte, dass sie
sich auf einem Wildwechsel befanden. Er führte zum Wasser, nahm sie an. Tatsächlich
erreichten sie kurz darauf einen kleinen Bach. Die Pflanzen an beiden Ufern
waren in den Schlamm getreten.
Sim kniete sich
neben den Bachlauf, schöpfte klares Wasser mit den Händen und trank. Dann zog
er Gwendas Strick hoch, sodass die Schlinge um ihren Hals lag und sie die Hände
frei hatte, und winkte sie zum Wasser.
Gwenda wusch sich
die Hände im Bach und trank durstig.
»Wasch dir das
Gesicht«, befahl Sim. »Du bist von Natur aus schon hässlich genug.«
Gwenda tat, wie ihr
geheißen, und fragte sich müde, warum Sim ihr Aussehen kümmerte.
Der Pfad führte auf
der anderen Seite der Wildtränke weiter, und sie setzten ihren Weg fort. Gwenda
war ein kräftiges Mädchen. Sie konnte den ganzen Tag gehen; nun aber fühlte sie
sich elend und hatte Angst, und deshalb war sie erschöpft. Welches Schicksal
sie an ihrem Ziel auch erwarten mochte — es würde vermutlich schlimmer sein als
das hier; dennoch sehnte sie sich danach, dort anzukommen, um sich endlich
setzen zu können.
Die Dunkelheit
brach herein. Der Wildwechsel wand sich eine Meile weit zwischen den Bäumen
hindurch und lief dann am Fuß eines Hügels aus. Sim blieb neben einer besonders
kräftigen Eiche stehen und stieß einen leisen
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