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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Ewigkeit verdammt!«
    »Nein«, hat Ortwin gesagt, »eben nicht, das ist ja das Gute. Alle Menschen sind nach unserem Glauben gefallene Engelsseelen, und die werden am Ende ewig sein. Wenn einer von den Bösen stirbt, dann schlüpft seine Seele in den nächsten Körper, so lange, bis sie einen Perfectus erreicht. Oder der Böse lässt sich vor seinem Tod noch von einem Perfectus segnen. Dann kommt seine Seele sofort in den Himmel.«
    Ich bin ganz durcheinander. Das ist ja eine Religion für Mörder und Verbrecher! Was sind das nur für Leute, die an so was glauben? Ich denke immer wieder an den Kerl, der mir damals gedroht hat. Er kommt nicht immer, aber wenn, dann schleicht er sich vom Steinhof her. Manchmal bringt er auch Leute mit. Jedenfalls, das muss einer von »denen da droben« sein, wie mein unechter Vater immer gesagt hat. Und so einer betet den Satan an? Das macht mir richtig Angst. Er wollte erst nicht, dass ich nachts auf die Versammlungen aufpasse, der traut niemandem! Aber seit ich einmal den Nachtwächter von ihm abgelenkt hab, ist es ihm doch ganz recht, und er nickt mir zu, wenn er an mir vorbeikommt. Manchmal gibt er mir sogar zusätzlich was, zu dem Pfennig, den ich als Lohn fürs Schmierestehen bekomme. Trotzdem ist er mir unheimlich. Ich wüsste nur zu gern, wer das ist, aber aus Ortwin ist nichts rauszukriegen, der schweigt wie ein Grab. Vermutlich hat er Angst, dass ihn der Kerl abmurkst, wenn er ihn verrät.
     
    Ortwin macht, seit er an diese andere Religion glaubt, richtig gefährliche Sachen, solche, wo man an den Galgen kommt. Er lauert Bauern auf dem Heimweg vom Markt auf, bedroht sie mit dem Messer und nimmt ihnen das Geld ab. Einmal hat er einen dabei angestochen, ganz stolz hat er’s erzählt. Und er lockt Leute abends in finstere Ecken, wo er sie dann ausraubt. Meistens sind das Besoffene oder Fremde. Ich glaub ihm nicht, dass er das alles allein macht, aber er will nicht sagen, wer dabei ist. Eigentlich müsste ich ja beleidigt sein, weil er nicht mich gefragt hat, aber dann bin ich doch wieder froh drum, weil am Galgen enden will ich nicht. Und dass der Ortwin irgendwann Hochzeit mit des Seilers Tochter hält, das ist mal klar, sagt Mutter.
    Da arbeite ich lieber. Lutprant hat mich im Sommer mitgenommen auf den Bau. Seit im Steinhof das Dach vom Westflügel eingebrochen ist und es in der Küche gebrannt hat, wird auf der Wartburg ein Zacken zugelegt. Lutprant sagt, der junge Landgraf will nicht mehr in der Stadt wohnen, wo der Steinhof so alt und baufällig geworden ist. Außerdem ist sein Bruder da gestorben, grad im Westflügel. Manche Leute sagen, da liegt ein Fluch drauf. Deshalb muss droben auf der Burg alles schnell fertig werden. Da brauchen sie kräftige kleine Kerle wie mich, sagt der dicke Steinmetz, für den wir Steine schleppen und Sandsäcke und Wassereimer und was sonst so anliegt. Kräftig, dass ich nicht lache, sagt Mutter. Schau dich doch an, lauter Haut und Knochen und sonst nichts. Das bringt dich doch um! Aber ich kann’s mir schließlich nicht aussuchen. Wenn mit Ortwins Bande nichts mehr geht, muss ich sonstwie Geld verdienen. Das machen andere auch in meinem Alter, sagt Lutprant.
    Also schleppe ich Steine bis zum Umfallen. Mein Rücken tut weh, die Hände und Füße sind aufgeschürft und brennen. Abends kippe ich in mein Bett und schlafe schon, bevor ich liege. Aber es gibt jede Woche Lohn, sechs Pfennige! Ganz reicht es nicht zum Leben für mich und die anderen, aber der Lutprant steuert ja auch ein bisschen bei, wenn er grad gute Laune hat. Für das Irmelchen, sagt er dann und grapscht Mutter an den Hintern. Und der Michel kommt in letzter Zeit immer öfter mit Geld oder irgendwelchen geklauten Sachen heim, die man dann zum Pfandleiher bringen kann. Mutter und ich haben Angst, dass er irgendwann mal erwischt wird, aber dann: ab mit der Hand. Oder noch schlimmer.
    Die Wartburg ist so groß, dass es einen ganz furchtsam macht. Wenn der Landgraf nicht da ist, leben dort nicht viele Leute, bloß ein paar Wächter, zwei Türmer und Torwarte und der Burggraf mit seinem Gesinde, der auf alles aufpasst. Seit dem Frühling wimmelt es droben nur so von Bauleuten, die an Mauern und Toren und am obersten Stockwerk des Palas arbeiten. Ein paar Nebengebäude sollen auch noch statt aus Fachwerk aus Stein hochgezogen werden. Und, ganz und gar unglaublich: Bauleute aus dem Welschland bauen eine Art Heizung für die Wohnräume. Nein, kein Kamin oder Kachelofen! Ich hab’s

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