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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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den älteren hatte man damals schon zur Erziehung auf die Burg Eckardsberga gegeben – und Isentrud blieb. Ihr war es recht, denn sie liebte ihren Mann nicht, daraus machte sie gar kein Geheimnis. Und mit ihr zog eine Art Geborgenheit bei uns ein, die es bisher nicht gegeben hatte. Sie hatte etwas Mütterliches, das uns Mädchen, die wir ja alle ohne leibliche Mutter aufgewachsen waren, guttat. Nur Guda war anfangs ein bisschen eifersüchtig, weil Isentrud für Elisabeth so wichtig wurde. Sie half ihr, den kleinen Hermann aufzuziehen, beriet sie in Frauensachen, in denen wir anderen wenig Ahnung hatten, und wurde fast so etwas wie eine ältere Schwester für sie.
    Mir riet sie natürlich auch. »Pass auf deinen guten Ruf auf«, sagte sie eines Tages zu mir.
    Ich war mir keiner Schuld bewusst und zuckte lachend die Schultern. »Kann ich dafür, wenn die Männer mich umwerben?«
    Sie lachte zurück. »Oh, ich weiß, wie das ist! Das lässt einen schnell leichtfertig werden und übermütig. Und dann gilt man als loses Luder.«
    Da wurde ich ernst. »Aber Isa, ich muss doch einmal einen Mann finden, oder nicht? Eine alte Jungfer will ich nicht werden!«
    »Hast du denn schon einen Bestimmten im Auge?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht …«
    »Na, sag schon!«
    Also gut, dachte ich und beschloss, sie ins Vertrauen zu ziehen. »Es ist – lach jetzt nicht – Heinrich Raspe!«
    »Oho!« Isentrud hob überrascht die Brauen. »Ein hohes Ziel, meine Liebe!«
    »Ach, wenn ich nur wüsste, wie ich es erreichen kann!«, seufzte ich.
    »Da gibt’s nur eins«, erwiderte Isentrud. »Halt dich zurück. Männer heiraten keine Frauen, die leicht zu haben sind. Lass ihn schmoren, gib ihm nicht, was er will. Mach ihm klar, dass er dich nur bekommt, wenn er den Bund mit dir schließt.«
    Ich nickte bedrückt. »Danke für den Rat, Isa. Ich will ihn beherzigen.«
    Das tat ich denn auch. Ich tändelte nicht mehr mit den Männern, sondern schenkte meine ganze Liebe dem kleinen Hermann – und einem Hündchen. Eines Tages, es war auf der Wartburg, hatte sich nämlich ein zerlumpter, magerer Bub vor mich hingestellt, einfach so, und mir einen zappelnden Welpen in die Hand gedrückt. Weil er schwarz-weiß gefleckt war, nannte ich ihn Feirefiz, nach dem gescheckten Halbbruder des großen Parzival. Ich habe Herrn Wolframs Parzival-Geschichte immer geliebt, und Feirefiz, der zweifarbige Sohn des Ritters Gahmuret mit der Mohrenkönigin Belakane, war darin eine der außergewöhnlichsten Gestalten. Was wohl der gute Herr Wolfram dazu sagen würde, dass ich ein Hündchen nach seiner Figur benannt habe? Dem kleinen Hermann war der Name indes zu lang und zu schwer; er konnte nur »Fitz« sagen, und dabei blieb es dann.
     
    Auf der Wartburg waren wir kurz vor Elisabeths Niederkunft eingetroffen. Die Wohngemächer der Burg waren inzwischen zu größter Bequemlichkeit ausgebaut worden, überall gab es jetzt angenehme Warmluftheizung, und in Eisenach lebte außerdem eine Hebamme, deren Ruf weit über die Grenzen der Stadt hinausging. Nach der schweren ersten Geburt hielt man es für geraten, die erfahrene Wehfrau in der Nähe zu haben.
    Aber Isentrud hatte es schon prophezeit: Das zweite Kind kommt meistens schnell und leicht. Elisabeth lag kaum zwei Stunden in den Wehen, und das Kleine fand seinen Weg in die Welt ganz ohne Schwierigkeiten. Es war ein Mädchen, und sie nannten es nach ihrer Großmutter mütterlicherseits Gertrud. Diesmal wusste Ludwig zu verhindern, dass Elisabeth im Büßergewand zur Benediktion der Kleinen schritt. Und obwohl es nur ein Mädchen war, feierte man die Taufe mit einem üppigen Bankett.
    Bei der Feier setzte sich Heinrich Raspe wie zufällig neben mich. Seit dem Pfänderspiel damals im Sommer waren wir uns nicht mehr begegnet, weil er sich mit seinen Freunden meistens zu Eisenach aufhielt, während der restliche Hof mit Ludwig herumzog. Ich wusste, dass er auf seinen Bruder nicht gut zu sprechen war, weil der ihn nicht an der Herrschaft beteiligte. Aber an diesem Abend wirkte er fröhlich und gutgelaunt.
    »Darf ich zu Eurer Rechten sitzen, schöne Jungfer?« Er zwinkerte mir zu.
    »Wenn Ihr Euch ziemlich benehmt in Wort und Tat«, entgegnete ich und spürte dabei, wie mein Herz klopfte. Aber ich wollte Isentruds Rat beherzigen und mich nicht auf ein leichtfertiges Spiel einlassen.
    »Aber meine Liebe, welch unbegründetes Misstrauen!« Er nahm schwungvoll neben mir Platz und sah mich treuherzig an. »Habe ich mich

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