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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Seelenmessen lesen zu lassen; es sind etliche Mark Silber. Mit unserem großen Haus im Brühl jedoch möchten wir gern den Armen und Kranken Gutes tun. Mein Mann ist ein wenig in der Welt herumgekommen, des Öftern hat er in der Ferne Aufnahme in Spitälern gefunden, wenn er unterwegs krank war. So kam uns der Gedanke, unser Heim, in dem wir immer glücklich waren, als Stätte für ein Hospital zu stiften.« Die Schultheißin hielt inne und atmete schwer. Man sah ihr an, dass sie Schmerzen hatte.
    Elisabeth wusste, dass es solche Spitäler gab, meist gehörten sie zu Klöstern und Stiften. Dort wurden Werke der Barmherzigkeit getan; man gewährte kranken Reisenden und Pilgern Obdach, pflegte Sieche und Alte, nahm mittellose Witwen und Waisen auf. In einigen Städten weit westlich des Rheins, so hatte sie gehört, hatten fromme Frauen, die man Beginen nannte, ähnliche Häuser eingerichtet, vor allem seit dem letzten und vorletzten Kreuzzug. In Outremer nämlich waren die Kreuzritter als Erstes auf solche Hospitäler gestoßen, ja sie unterhielten sogar in Jerusalem selber eines. In Thüringen freilich kannte man so etwas noch nicht. »Ein Hospital«, wiederholte sie nachdenklich. Und noch einmal: »Ein Hospital.« Sie horchte dem Wort nach. Ein überwältigendes, unbändiges Glücksgefühl stieg in ihr auf. Wie eine Woge erfasste es ihren ganzen Körper, überflutete sie mit unbeschreiblicher Wonne. Konnte es sein, dass …
    »Die Erlaubnis der städtischen Obrigkeit habe ich schon«, fuhr die Uhlbeckin fort, die gar nicht bemerkt hatte, was in der Landgräfin vorging. »Man wäre sehr froh über eine solche Stiftung. Aber mit einem Haus allein ist es nicht getan. Der Unterhalt des Spitals muss gesichert sein, es muss Liegenschaften bekommen, aus denen jährliche Einkünfte sprießen. Oder aber eine bestimmte Summe Geldes muss jedes Jahr zur Verfügung stehen, um die Kosten zu bestreiten. Und weil ich und alle Leute im Land wissen, wie barmherzig Ihr zu den Armen und Beladenen seid, wende ich mich nun in Gottes Namen an Euch. Helft mir, dieses Werk zu vollbringen!«
    »Ihr wollt also das Haus geben, und ich soll für den Unterhalt sorgen?« Elisabeth zitterte vor Aufregung. Das war er, ihr Weg! Der Himmel hatte ihr diese Frau geschickt! Oh, das wäre eine würdige, eine gottgefällige Aufgabe! Und so vielen konnte damit geholfen werden! Im Geiste sah sie schon vor sich, wie die Krüppel, die Bresthaften, die kranken Kinder dort in ihren Betten lagen, gut bewahrt, gepflegt und genährt. Sie fühlte sich wie im Rausch. »Frau Hildegard«, sagte sie, und in ihrer Stimme klang ein Jubel mit, der die Uhlbeckin ihre Schmerzen vergessen ließ. »Ich will Euch gerne alles geben, was ich habe. Und für die Billigung und Zustimmung meines Gatten werde ich sorgen. Dieses Hospital soll Wirklichkeit werden, das schwöre ich.«
    Bevor Elisabeth es verhindern konnte, bückte sich die Alte und küsste den Saum ihres härenen Gewandes. Dann verabschiedete sie sich unter Segenswünschen.
    Elisabeth blieb allein im Raum zurück. Mit leuchtenden Augen blickte sie zu dem Kruzifix auf, das über der Tür hing, und sank langsam auf die Knie. Der Herr hatte ihr heute ihre Bestimmung aufgezeigt. Endlich sah sie ihn vor sich, deutlich und klar: ihren Weg zu den Toren des Himmels.
     
    In den nächsten Wochen beschäftigte die junge Landgräfin nur eines: das Hospital. Mit ihren Zofen redete sie über nichts anderes mehr, erzählte den Plan den Vargula-Brüdern und anderen. Und endlich kam Ludwig von seinem Kriegszug zurück. Nachdem er mehrere ihrer Städte erobert hatte, war seiner Halbschwester Jutta nichts anderes übrig geblieben als einzulenken.
    Elisabeth war so glücklich über seine gesunde Wiederkehr, dass sie sich in die kostbarsten Gewänder hüllte und den schönsten Schmuck anlegte, um ihn zu empfangen. Ihr war bang ums Herz, schließlich hatten sie sich im Unfrieden getrennt. Als Ludwig ins Frauenzimmer stürmte, unrasiert, noch staubig vom langen Ritt, warf sie sich ihm zu Füßen.
    Sanft nahm er sie bei den Schultern. »Nicht doch, Schwesterchen«, flüsterte er.
    Tränenüberströmt sah sie zu ihm auf. »Oh, Bruder, verzeih mir. Ich habe dich gehen lassen ohne Versöhnung. Dabei bist du mir das Liebste auf der Welt. Sei mir nicht mehr gram, Lieber, ich sterbe sonst vor Kummer. Versprich mir, dass du mir nichts nachträgst.«
    Er zog sie hoch und küsste ihre Tränen fort. Auch in seinen Augen stand das Wasser. »Versprich du

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