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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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mir, dass du nicht mehr böse bist«, flüsterte er. »Ich war hart zu dir, mein Herz. Es soll nicht wieder vorkommen.«
    Sie lächelte. »Aber ich kann dir nicht versprechen, in Zukunft stille zu sein. Ich muss doch das sagen und tun, was mir mein Gewissen befiehlt. So wie du auch. Kannst du das verstehen?«
    Er nickte.
    »Nicht nur du hast eine Aufgabe auf dieser Welt, Ludwig, sondern auch ich. Das habe ich in den letzten Wochen erkannt. Ich will mich noch mehr denen widmen, die mich brauchen. Wirst du mich das tun lassen?«
    »Was immer du vorhast, Liebste, ich will dich dabei stützen und halten.«
    Ludwig sah seine Frau lange an. Staunen und Bewunderung stiegen in ihm auf. Etwas war mit ihr geschehen. Diese neue Entschlossenheit, diese Selbstsicherheit hatte er noch nie an ihr bemerkt. Sie strahlte etwas aus, das ganz von innen kam, eine Kraft, die ihn entwaffnete, ja demütig machte. »Lass mich teilhaben an allem, was du tust«, sagte er, »alles sei dir erlaubt. Denn ich sehe, dass Gott dich leitet.«
    Sie küssten sich mit jäher Leidenschaft. Er streifte ihr die Haube ab und nestelte hastig mit einer Hand an ihrem Halsausschnitt. Mit der anderen winkte er die Zofen aus dem Zimmer. Dann hob er ihre Röcke und trug sie zum Bett. Sie liebten sich wild und heftig, besiegelten ihre Versöhnung, indem sie eins wurden als Mann und Frau.
    Danach, als er längst gegangen war, um den Staub der Reise abzuwaschen, lag sie auf den nassgeschwitzten Laken, die Hand auf dem flachen Bauch. Und mit einem Mal lachte sie hell auf. Sie spürte es deutlich: Dies war der Beginn einer neuen Schwangerschaft.
     
    Einen Monat später gründeten Elisabeth und Ludwig im Haus der Frau Hildegard, wie es in der Urkunde genannt wurde, ein Hospital, das erste seiner Art in Thüringen. Der Landgraf nahm es in seinen landesherrlichen Schutz, gab eigene Vermögenswerte dazu und bestätigte im Voraus alle Schenkungen und Einkünfte, die das Spital zukünftig erhalten würde.
    Elisabeth hatte ihre Bestimmung gefunden. Und sie wusste: Dieses Hospital würde erst der Anfang sein.

Primus
    I m Frühjahr hat sich Ortwins Haufen aufgelöst. Nicht wegen mir oder Michel, sondern es ist einfach zu viel Pech auf einmal dazugekommen. Dem Richolf haben sie die Hand abgehackt, weil er zum dritten Mal beim Klauen erwischt worden ist, und ihn dann aus der Stadt gewiesen. Keine Ahnung, was er jetzt macht. Sein kleiner Bruder darf seitdem nicht mehr zu uns, sie haben ihn aufs Land zu Verwandten geschickt. Der Utz ist am Lungenfluss gestorben, armer Kerl, wir haben ihn noch besucht, als er schon Blut gehustet hat und auf den Tod gelegen ist. Veit hat eine Stelle als Lehrbursche beim Schmied bekommen und ist ehrbar geworden. Wenn er heute einen von uns zufällig trifft, tut er so, als ob er ihn nicht kennt. Ortwins Vetter ist einfach verschwunden und nie wieder aufgetaucht, wir glauben, dass er vielleicht im Fluss ertrunken ist. Die anderen sind dann nach und nach auch weggeblieben. Der Ortwin hat gesagt, er macht jetzt alleine weiter und er braucht keinen mehr, auch mich und den Michel nicht. Aber ich seh ihn natürlich einmal in der Woche, weil ich seit damals, als wir ihm nachts nachgeschlichen sind, Schmiere stehe für die bedeutsamen Versammlungen, auf die er immer geht. Das ist nicht ungefährlich, und außerdem muss alles unbedingt geheim gehalten werden. Aber Ortwin kennt mich ja und weiß, dass ich zuverlässig bin und dichthalten kann. Ich bin stolz, weil er so viel Vertrauen in mich hat. Ich weiß jetzt auch, dass es bei diesen Treffen um wichtige Glaubensdinge geht. Lange hab ich Ortwin gelöchert, bis er mir alles erzählt hat. Unheimliche Sachen über Gut und Böse, Geist und Materie – das Letzte muss etwas ganz höllisch Schlimmes sein. »Gott und Satan beherrschen die Welt«, hat er gesagt. »Und wir Menschen müssen uns zwischen beiden entscheiden.«
    »Du meinst, Gott und der Teufel sind gleich stark?«, hab ich gefragt.
    »Ja. Der Teufel ist auch wie Gott. Wir können uns dafür entscheiden, im Leben entweder zum einen oder zum andern zu halten. Der Mensch ist entweder vollkommen, so wie der Perfectus, unser Priester. Dafür muss er aber ohne Weiber leben und darf kein Fleisch essen. Oder der Mensch ist eben dem Bösen ergeben. Da kann man dann nichts dagegen tun, weil der Satan ist eben genauso mächtig wie Gott, und gegen den kann man sich nicht wehren.«
    »Aber wenn man zum Teufel hält, dann kommt man in die Hölle und ist für alle

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