Die Tore des Himmels
lehnte immer noch draußen neben dem offenen Fenster, und das Herz klopfte mir bis zum Hals. Dort drinnen saß der Mann, den ich liebte, und man wollte ihn zum Mitverschwörer machen! Mir war ganz schlecht, aber wenigstens hatten meine Knie aufgehört zu zittern. Ich wollte nur noch weg, ließ die Puppe Puppe sein und rannte wie von Hunden gehetzt die Stufen hinunter, hinkte durch den Innenhof und auf die Gasse hinaus. Erst als ich am Ende der Waaggasse angelangt war, wurde ich langsamer und blieb schließlich stehen. Lieber Gott, was sollte ich tun? Heinrich war gerade zum Hochverrat angestiftet worden! Sie planten den Sturz des Königs, ja des Kaisers! Den Reichsverweser hatten sie bereits ermordet! O Himmel, wo war ich da hineingeraten? Was würde Heinrich bereit sein zu tun? Ich wusste ja, er wollte an die Macht kommen, zumindest in Hessen. Würde er sich gegen Ludwig stellen, seinen eigenen Bruder, sein Fleisch und Blut? Das Ansinnen der Verräter hatte er nicht abgelehnt, aber auch nicht zugesagt. Täuschte er die Männer? Wollte er nur Zeit gewinnen? O Gott, was würde geschehen, wenn er wüsste, wenn sie wüssten, dass ich gelauscht hatte? Die Angst kroch mir in sämtliche Glieder.
Mit schnellen Schritten ging ich den Burgberg hoch und überlegte dabei fieberhaft. Wenn ich erzählte, was ich gerade gehört hatte, wer würde mir glauben? Außer mir gab es weder Zeugen noch Beweise, und mein Wort als kleine Hofjungfer würde nicht viel gelten gegen das des Herzogs von Bayern. Außerdem – wie konnte ich auch nur daran denken, meinen Liebsten ans Messer zu liefern? Er hatte sich zwar nicht mit den Verschwörern verbunden, aber allein die Tatsache, dass er Bescheid wusste, würde ihn den Kopf kosten. Wie gesagt, immer unter der Voraussetzung, dass man mir überhaupt glaubte. Und wenn ich etwas sagte, dann wäre meine Liebesbeziehung mit Heinrich nicht nur aufgedeckt – wie sollte ich wohl erklären, was ich in seiner Unterkunft gesucht hatte? –, sondern er würde sie sofort beenden. Wie sollte er eine Frau heiraten wollen, die ihn verraten hatte? Er würde mich hassen. Alle meine Träume hätte ich vergebens geträumt.
In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf. Wohl hundertmal beschloss ich, mit Heinrich zu reden, und genauso oft überlegte ich es mir anders. Ich bekam immer mehr Zweifel. Wer war ich denn, mich in die große Politik zu mischen? Ich, die kleine hinkende Zofe der wunderlichen Landgräfin von Thüringen! Selbst wenn Heinrich beschließen sollte, mit seinem bayrischen Onkel gemeinsame Sache zu machen – Ludwig würde sich von seinem Bruder bestimmt nicht beeinflussen lassen. Und der Reichsverweser war schon tot, meine Aussage konnte das nicht mehr rückgängig machen. Niemand schwebte in unmittelbarer Gefahr. In meiner Not und Verwirrung wusste ich einfach nicht, was ich tun sollte, und so tat ich – nichts. Ich schwieg.
Aber was ich nicht verhindern konnte, war das Körnchen Misstrauen gegen Heinrich, das nun in meinem Herzen saß. Er hatte seinem Onkel nichts zugesagt, aber würde er sich nicht doch noch dazu entschließen, den Verschwörern zu helfen, unzufrieden, wie er war? Und damit seinen König verraten, dem er bei der Krönung den Treueid geschworen hatte?
Als ich am nächsten Morgen das Frauenzimmer verließ, um die Frühsuppe zu holen, stand er so plötzlich vor mir, dass ich zusammenfuhr und einen kleinen Schrei ausstieß.
»Na, na«, sagte er, »warum so schreckhaft?«
»Entschuldige, ich war in Gedanken«, erwiderte ich.
»Ich wollte mich gerade nach dem Befinden meiner werten Mutter erkundigen«, meinte er leichthin. »Und dir bringen, was du vergessen hast«, setzte er flüsternd hinzu und drückte mir verstohlen das Püppchen in die Hand. »Mich wundert, dass du es gestern nicht mehr geholt hast.«
Sah er mich dabei merkwürdig an? War da Misstrauen in seinem Blick? Ich konnte es nicht sagen. Ich rang mir ein Lächeln ab, und er küsste mich zärtlich auf die Wange. »Ich liebe dich«, raunte er, und ich schmolz dahin.
Dann ließ er sich im Frauenzimmer melden.
Nein, er durfte, er konnte kein Verräter sein.
Am Abend desselben Tages stellte sich heraus, dass die Versammlung des Reichsadels sich auf keinen neuen Reichsverweser hatte einigen können. Es waren mehrere Kandidaten benannt worden, darunter auch Ludwig, aber keiner hatte eine Mehrheit gefunden. Und Ludwig selber, so erfuhr ich, hatte für den Bischof von Bamberg gestimmt.
Meine Erleichterung war
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