Die Tore des Himmels
mussten ganz selbstverständlich mit. Spätestens seit ihrem Entsagungsschwur in der Eisenacher Michelskirche hatte ich das Gefühl, es ginge ihr nur noch um sich selbst. Eine beinahe gespenstische Ruhe hatte Besitz von ihr ergriffen, besonders stark empfand ich das bei der Öffnung der Schreine mit Ludwigs Gebeinen im Dom. Ja, sie hatte alles Weltliche aufgegeben. Würde es sie da überhaupt noch treffen, wenn sie auch mich an die Welt verlieren würde? Ich litt unter der Vorstellung, sie zu enttäuschen, ihr weh zu tun. Aber ich wusste auch eines: Ich wollte nicht mit Elisabeth in Armut und Elend bis zu den Toren des Himmels wandeln.
Am Pfingstsonntag kamen wir im Kloster Reinhardsbrunn an, wo schon Heinrich Raspe, die Landgrafenmutter Sophia und der daheimgebliebene thüringische Adel warteten. Es waren wirklich alle Getreuen da, um ihrem toten Landgrafen die letzte Ehre zu erweisen.
Und noch jemand war gekommen: Konrad von Marburg.
Ich sah ihn stets in der Nähe von Heinrich Raspe, mit dem er offenbar immer noch über Elisabeths Abschichtung verhandelte. Heinrich selbst würdigte mich immer noch keines Blickes, obwohl er mit seiner jungen Frau, die ebenfalls Elisabeth hieß, recht glücklich wirkte. Sie sprachen vertraulich miteinander, oft legte er seinen Arm um sie, und sie strahlte ihn an. Ich gönnte es ihm. Vielleicht würde ihn ja die Liebe zu einem besseren Menschen machen und ihn von seinem unseligen Weg abbringen, dem Ketzertum. Aber dann, als ich bei der großen Beisetzungsfeier zufällig in seine Nähe kam, sah ich den Ring an seiner Hand. Und wieder jagte mir der silberne Reif einen Schauer über den Rücken. Die ganze Zeremonie über konnte ich an nichts anderes denken als an die Luziferianer, Wido und das nächtliche Treffen, das ich zu Eisenach beobachtet hatte. Und da fiel mir auch wieder ein, wie Heinrich und dieser Galgenvogel Ortwin zu Schmalkalden verstohlen miteinander geredet hatten. Wofür hatte Heinrich Raspe damals bezahlt? Ich sah, wie er während der Feierlichkeiten mehrmals zu Elisabeth hinüberblickte, mit zusammengekniffenen Augen, in denen der blanke Hass stand. Es machte mir Angst.
Und als ich dann am Abend bemerkte, wie Konrad von Marburg ins landgräfliche Gemach ging – man hatte Heinrich die Räume des Abtes hergerichtet –, da schlich ich einfach hinterher. Ich traute weder Heinrich noch Konrad. Wer weiß, was sie gemeinsam ausbrüteten.
Natürlich stand ich vor verschlossener Tür. Drinnen hörte ich die Stimmen der beiden Männer, erst leise, dann lauter. Dem Tonfall nach stritten sie, aber ich konnte nichts verstehen. Dann, plötzlich, wurde die Tür aufgerissen; ich hatte gerade noch Zeit, in die nächste Wandnische hinter eine lebensgroße steinerne Figur zu huschen.
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, brüllte Heinrich.
Vorsichtig lugte ich über die Schulter des Heiligen Johannes. Konrad von Marburg war hinter Heinrich hergerannt und hatte ihn am Arm gepackt. »Denkt doch einmal darüber nach«, sagte er in schmeichelndem Tonfall. »Wenn Ihr Frau Elisabeth die Abschichtung verweigert, wird das Euren Ruf im Reich schwer beschädigen. Schon jetzt erzählt man sich, Ihr hättet die Witwe Eures Bruders mit Gewalt vertrieben. Ihr kennt sie, sie hat sich vorgenommen, betteln zu gehen. Ich werde sie nicht daran hindern können. Und wie steht Ihr dann da?«
Heinrich schüttelte Konrads Arm ab. »Jeder weiß, dass sie verrückt ist.«
»Jeder weiß, dass sie die trauernde Witwe eines Kreuzfahrers ist. Was man ihr antut, tut man der heiligen Sache an! Sie steht unter dem Schutz des Heiligen Vaters in Rom! Wollt Ihr Euch mit den gottlosen Heiden auf eine Stufe stellen? Soll man von Euch sagen, Ihr habet keine Achtung vor dem Papst und der heiligen Mutter Kirche?«
Ich sah, wie Heinrich Raspe leicht zusammenzuckte. Ah, damit hatte der Prediger ihn unwissentlich gepackt! Das musste er natürlich unbedingt vermeiden. Er durfte auf keinen Fall in den Ruch kommen, unchristlich zu handeln oder den Glauben geringzuachten. Sonst brachte er sich und seine Katharerbrüder womöglich in tödliche Gefahr! Ich wartete gespannt auf seine Antwort.
»Niemand darf so etwas von mir behaupten!«, schnaubte er wütend. »Ich bin ein gut christlicher Fürst und stehe treu zu beiden, Kaiser und Papst. Aber das heißt doch nicht, dass ich unseren Familienbesitz verschleudern muss! Schließlich habe ich auch eine Verantwortung als Oberhaupt der Ludowinger.«
Konrad nickte. »Das
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