Die Tore des Himmels
verstehe ich, Liebden. Aber wenn Ihr Frau Elisabeth ihr Wittum überlasst, so bedeutet das doch nicht, dass die Güter der landgräflichen Familie verlorengehen. Nach Elisabeths Tod wird alles wieder an Euch zurückfallen, wie Recht und Gesetz es vorschreiben.«
»Und was ist mit den zweitausend Pfund Silber, die Ihr fordert? Das entspricht dem Wert einer kleinen Grundherrschaft!«
»Die gehören zu Elisabeths Brautschatz, wie Ihr sehr wohl wisst. Und der Brautschatz steht einer Witwe zu. Sie kann ihn jederzeit öffentlich einfordern.«
»Ach, und das würde sie tun?«
Konrad breitete bedauernd die Arme aus. »Wenn es sein muss. Das heißt, ich als ihr vom Papst bestellter Defensor würde das tun. Als ihr Vormund.«
Heinrichs Kiefer mahlten. Ich sah ihm an, dass es ihm klargeworden war: Ihm blieb keine Wahl. Er ballte die Fäuste und zischte: »Ihr habt gewonnen, Magister Konrad. Es sei. Nur eines noch: Elisabeths Witwengüter liegen fast alle in Thüringen. Die möchte ich nicht aus der Hand geben. Ich biete ihr stattdessen Grundbesitz in Hessen an, der genauso viel wert ist. In Marburg beispielsweise.«
»Darüber können wir reden.«
»Und ich will von Euch die Garantie, dass Elisabeth der Familie keine Schande mehr macht. Dass sie weder betteln geht noch sonst irgendwie auffällig wird. Dass sie im Reich nicht schlecht von der Familie spricht. Und dass sie nie mehr Ansprüche gegen uns erhebt.«
Konrad nickte. »Ich gebe Euch mein Wort, Liebden. Mein Mündel wird sich tadellos verhalten, dafür sorge ich.«
»Gut. Ich baue auf Euch, Herr Magister«, antwortete Heinrich frostig.
»Wann wollen wir den Vertrag unterschreiben?« Konrad konnte nur schwer seine Befriedigung verbergen, ein kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
»Ich lasse ihn sofort aufsetzen; morgen früh können wir alles besiegeln.«
Konrad verbeugte sich. »Ich danke Euch, Herr Heinrich. Ihr seid wahrlich ein vernünftiger, kluger Mensch. Thüringen darf sich glücklich schätzen, einen solchen Landgrafen zu besitzen.«
»Eure Schmeicheleien könnt Ihr Euch sparen«, knurrte Heinrich Raspe und wedelte mit der Hand. »Geht jetzt, bevor ich es mir anders überlege.«
Konrad wandte sich um und ging ohne Eile den Gang entlang und die Treppe hinunter. Heinrich sah ihm noch nach, dann stapfte er in sein Gemach zurück und warf mit lautem Krachen die Tür zu.
Ich atmete erst einmal tief durch. Drinnen in Heinrichs Kammer blieb alles ruhig, also schlüpfte ich hinter dem Heiligen Johannes hervor und beeilte mich, zurück ins Frauenzimmer zu kommen. Ich lief zu Elisabeth und nahm ihre Hände. »Du bekommst die Abschichtung!«, rief ich.
Alles würde gut werden.
Noch am selben Abend besuchte uns Konrad von Marburg und teilte Elisabeth das Ergebnis seiner Verhandlungen mit. Selbstzufrieden saß er ihr gegenüber vor dem Kohlebecken und tätschelte ihr sogar einmal den Arm.
»Was soll ich aber nun mit all dem anfangen, Meister?«, fragte Elisabeth. »Ich habe meinem Besitz zwar nicht entsagt, aber ich will ihn auch nicht genießen. Ich will trotzdem in Armut leben, das wisst Ihr.«
»Das habe ich alles schon bedacht. Ich denke, ich habe eine gute Lösung gefunden«, entgegnete der Prediger, und ich spitzte die Ohren. Was war sein Plan? Er stocherte erst ein bisschen mit dem Schürhaken in den Kohlen, um uns auf die Folter zu spannen. Dann sagte er beiläufig: »Du wirst in Hessen ein Hospital bauen.«
»Ein Hospital?« Elisabeths Augenbrauen schnellten in die Höhe.
»Ein Haus für die Armen, die Alten, die Kranken. Dort wirst du leben wie eine Laienschwester – du wolltest ja schließlich nicht ins Kloster, nicht wahr? Aber außerhalb eines Klosters in Keuschheit eine Braut Christi in der Welt zu sein, das kommt dir entgegen. Du kannst zusammen mit deinen Schützlingen in völliger Armut leben, nicht besser gestellt als sie. Du kannst arbeiten und Gutes tun. Du kannst in Demut mit deinen Werken Gott gefällig sein. Und mit den zweitausend Silbermark deiner Aussteuer lässt sich das Hospital über viele Jahre hinweg erhalten.«
Elisabeths Augen wurden weit. Das war besser, als den Schleier zu nehmen, besser als wieder verheiratet zu werden, besser als am Hof ihres Schwagers ein unchristliches Leben zu führen. Ihren größten Wunsch, Gott zuliebe Not zu leiden und bettelnd durch die Lande zu ziehen, würde sie nicht erfüllt bekommen, das hatte Konrad klargestellt. Ein Leben im Dienst der Bedürftigen kam dem, was sie sich
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