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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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verzweifeltes Keuchen. Dann hing die Leiter wieder locker. Sie schaffte es nicht.
    »Ich geh runter!« Raimund schnallte sein Schwert ab und legte es auf den Boden, aber Primus war schneller. Schon hatte er sich über den Rand der Öffnung geschwungen. Raimund stellte derweil die Kerze ganz nah an das Loch und versuchte, die Strickleiter möglichst stabil zu halten. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, aber gleichzeitig stieg Hoffnung in ihm auf. Gisa lebte! Gleich würde er sie in seinen Armen halten, und dann wäre dieser Albtraum vorbei.
     
    »Das habt Ihr Euch fein ausgedacht, Raimund von Kaulberg!«
    Raimund ließ die Leiter los und fuhr herum. Seine Hand zuckte zum Griff des Dolches an seiner rechten Hüfte. Aber er hatte keine Zeit mehr. Die scharfe Spitze eines Kampfschwerts befand sich genau unter seinem Kinn.
    »Wäre aber auch zu schön gewesen, um wahr zu sein!« Ortwin grinste. »Macht nicht so ein erschrockenes Gesicht, Herr Ritter! Freut Euch lieber, dass Ihr, wenn schon nicht im Leben, dann wenigstens im Tod mit Eurem Liebchen vereint sein könnt.«
    Raimund schielte zu seiner Waffe hinunter und ballte die Fäuste. Er überlegte fieberhaft, suchte nach einem Ausweg. Herrgott, was konnte er tun? »Ortwin der Galgenstrick«, sagte er, um Zeit zu gewinnen. »Ich hätte es wissen müssen. Hat dich der Landgraf geschickt, um einen weiteren Mord zu begehen? Wollte er sicher sein, dass Gisa auch wirklich tot ist?«
    Ortwin grinste. Im flackernden Schein der Kerze sah sein Gesicht mit der Narbe gespenstisch aus. »Erraten«, gab er zurück.
    »Und wenn du uns umgebracht hast, steigst du dann auf in der Rangordnung deiner widerwärtigen Ketzerbrüder? Belohnt dich der Satan dafür mit einem besonders wohlriechenden Furz aus seinem Bockshintern?«
    »Lasst es gut sein, Herr Raimund«, lachte Ortwin. »Ihr werdet mich zu keiner Unvorsichtigkeit reizen. Und nun tut mir den Gefallen und tretet einen kleinen Schritt zurück, wenn’s recht ist.« Die Spitze des Schwerts bohrte sich in Raimunds Haut, ein Blutstropfen lief an seinem Hals hinunter.
    Raimund drehte den Kopf. Genau hinter seinem Absatz gähnte das Loch. Er holte tief Luft und ging leicht in die Knie. Dann nickte er und bekreuzigte sich. »In Gottes Namen«, sagte er, »du hast gewonnen, Ortwin.« Und dann, mit einer schnellen, ansatzlosen Bewegung, schleuderte er den schweren Haken, der an der Seilwinde über der Kerkeröffnung geschwebt hatte, mitten in Ortwins Gesicht. Gleichzeitig sprang er rückwärts über die Luke, dorthin, wo er seine Waffe abgelegt hatte.
    Mit einem Wutschrei stürzte sich Ortwin auf seinen Gegner. In dem Augenblick, als Raimund sich bückte, trat er ihm das Schwert unter den Fingern weg. Raimund rollte zur Seite ab und kam wieder auf die Beine. Er wich bis zur Wand zurück und riss seinen Dolch aus der Scheide. Dann traf Ortwins erster Hieb das Mauerwerk neben seinem linken Ohr. Funken stoben. Raimund drehte sich geschmeidig und duckte sich unter dem nächsten Schlag weg. Schon stand er wieder auf der anderen Seite des Lochs. Ortwin verfolgte ihn mit gestreckter Waffe, die Klinge blitzte im Kerzenschein. »Du bist nicht besonders geschickt mit dem Schwert«, zischte Raimund. »Ich hätte dich längst erwischt!«
    Ortwin machte einen Ausfallschritt vorwärts und riss dabei gleichzeitig seinen Arm von unten nach oben. Die Schwertspitze schlitzte Raimunds Hemd auf, er spürte einen stechenden Schmerz. Mit der Hand fasste er sich an die Brust – es war nur ein Ritzer. Ortwin setzte nach, Raimund wich weiter zurück. Er stolperte über den schweren Stein, der auf der Falltür gelegen hatte, taumelte nach hinten und fiel mit einem Aufschrei hin. Sofort stand Ortwin mit gespreizten Beinen über ihm, schwer atmend, das Schwert senkrecht in beiden Händen, zum tödlichen Stoß bereit. »Das ist dein Ende, Kaulberg«, keuchte er und holte mit dem Schwert aus.
    Dann brach er plötzlich zusammen, wie vom Blitz gefällt.
    Hinter ihm stand Primus, den Stein immer noch in den hocherhobenen Händen.
     
    Sie brauchten nicht lange, um Gisa heraufzuholen, die zu schwach war, um auch nur einen einzigen Schritt zu tun. Ohnmächtig sank sie in Raimunds Arme.
    Er legte sie vorsichtig auf dem Boden ab. Dann trat er zu Ortwin, der inzwischen wieder zu sich gekommen war. »Na los, bring mich um«, fauchte er.
    Raimund schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich nicht genug, um dich jetzt schon zu deinem Herrn in die Hölle zu schicken.« Er kniete

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