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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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mein Hirn, flackerten auf wie kleine Flämmchen. Eine Katze. Gehetztes Laufen. Flucht. Schritte hinter mir. Bäume. Und dann wusste ich es wieder: Sie hatten mich gefangen. Heinrich Raspes Männer. Wo hatten sie mich hingebracht? Ich musste mich umsehen.
    Und plötzlich wurde mir bewusst, dass meine Augen schon die ganze Zeit über offen waren. Nur dass ich nichts sehen konnte. Nichts. Schwärzeste Dunkelheit umfing mich wie eine ewige Nacht. Die Finsternis war so vollkommen, dass ich sie körperlich spüren konnte, sie lastete auf mir wie ein Stein, drückte mich nieder, drohte mich zu ersticken. Ich rang nach Luft. Sie war kühl und feucht und faulig. Es roch nach Moder.
    Langsam richtete ich mich auf. Meine Finger griffen in Stroh.
    »Ist hier jemand?«, hörte ich mich flüstern. Dann lauter: »Ist hier jemand?«
    Niemand gab Antwort. Mitten in die Stille hinein hörte ich einen Tropfen fallen. Vorsichtig stand ich auf, mich schwindelte, aber ich hielt mich auf den Beinen. Mit ausgestreckten Armen tastete ich mich vorwärts, Schritt für Schritt. Seltsam, wie man in der völligen Dunkelheit das Gefühl für oben und unten, links und rechts verliert. Nach drei Schritten wusste ich nicht mehr, wo ich war. Meine Augen traten fast aus den Höhlen beim Versuch, etwas zu erkennen. Und dann stieß ich mit den Händen gegen eine Wand. Kalter Stein, rau und feucht, mit Pelzchen von Schimmel überzogen. Ich entschied mich für eine Richtung und tastete mich an der Mauer entlang weiter. Immer vorwärts ging ich, immer weiter. Es hörte nicht auf. Ich weiß nicht, wie lang es dauerte, bis ich erkannte, dass ich im Kreis ging. Mein Gefängnis war rund. Ein Brunnenschacht? Ein kreisförmig gemauertes Verlies?
    Ich blieb stehen. Kopfschmerz und Übelkeit hatten nachgelassen, aber dafür befiel mich nun Angst. Wilde, unbändige, verzweifelte Angst. Wollten sie mich hier verfaulen lassen? Langsam und elendiglich verhungern und verdursten? In diesem winzigen Kerkerloch? Mir war, als müsse ich zerspringen. Mein Kopf würde bersten, ich würde wahnsinnig werden, wenn ich nicht sofort, in diesem Augenblick, aus dieser entsetzlichen Finsternis herauskäme. Es brach aus mir heraus, ich konnte nichts anderes tun als schreien. Ich schrie und schrie, heulte wie ein Tier, bis ich heiser war, bis es nicht mehr ging. Dann fiel ich ins Stroh und weinte stumm.
    Irgendwann wich die Angst der Verzweiflung, und die Verzweiflung machte der Hoffnungslosigkeit Platz. Ich wollte nicht mehr denken, nicht mehr da sein. Ich wollte gleich tot sein.
    Da öffnete sich über mir, wer weiß wie viele Fuß hoch, eine Luke. »Hilfe! Zu Hilfe!«, krächzte ich. Droben lachte jemand, und meine Hoffnungen zerplatzten. Es war niemand, der kam, um mich zu retten, es waren nur meine Kerkermeister. Dann wurde etwas heruntergelassen und landete genau vor mir in dem kleinen hellen Viereck, den der Lichtstrahl von oben auf den Boden zeichnete. Ich griff danach: Es war ein lederner Eimer, darin befanden sich ein Laib Brot und ein großer Deckelkrug mit Wasser. Mit zitternden Händen löste ich das Seil vom Henkel. Sie zogen es wieder hoch, und ich versank wieder in völliger Dunkelheit.
    Sie wollten mich also weder verhungern noch verdursten lassen. Ich sollte einfach nur langsam verrotten. Ich kauerte mich im Stroh zusammen wie ein Kind, wiegte mich selber vor und zurück, immer wieder. Das Gleichmaß der Bewegung tat gut, beruhigte mich. Machte mich müde und gleichgültig. Ich verspürte einen unwiderstehlichen Drang zu lachen. Jemand kicherte. Das war ich.
    Fängt es so an, wenn man den Verstand verliert?
    Wie lange dauert es, bis ein Mensch stirbt, wenn er im Dunkeln sitzt und jeden Tag nur Brot und Wasser bekommt?

Nachricht des Primus von Eisenach an den Ritter
Raimund von Kaulberg nach Thüringen
    Ich, Seufried Meulmann, erster Pfarrer der Pfarrkirche zu Marburg, entbiethe Euch, Raimund von Kaullberg, meinen Grusz und wünsch Euch Gottes Hülff und Segen allezeyt. Ich schreib an Euch im Namen des Primuß von Eysenach allhie, der deß Schreibens nit kundig.
    Eilt! Eilt! Eilt! Die Jungkfer Gißlind befindt sich in hoechster Gefahr. Seit zwey Tagk ist sie verschwunden, ich weiß nit, ob entfüeret oder gar todt. Sie hat bishero ein Geheymniß bewahret, das jemanden, den wir beyde gut kennen, Macht und Leben kosthen kann. Ich weiß nit, was mit ihr ist, oder ob es villeicht schon zu späth, aber wenn einer helffen kann, dann Ihr, Herr Ritter. Ich bitt Euch, eillet

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