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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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lassen. Oder es war die bedingungslose Zuneigung des Knaben, seine Unschuld, das Vertrauen, das Hermann ihm schenkte. Nun ja, man durfte sich nicht zu sehr von seinen Gefühlen leiten lassen. Obwohl er das in letzter Zeit viel zu oft tat. Heinrich kratzte sich am Kinn. Wer hätte je gedacht, dass er sich einmal in eine Frau verlieben würde? Und ausgerechnet in seine eigene? Elisabeth war keine Schönheit, eher ein wenig plump und unscheinbar, und im Bett war sie wie alle anderen, aber ihre grenzenlose Hingabe, die Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, hatten in ihm ungewohnte Gefühle geweckt. Er war glücklich mit ihr. Und seit sie schwanger war, vergötterte er sie geradezu.
    Jetzt lag sie im Frauenzimmer in den Wehen, es würde nicht mehr lange dauern. Heinrich war unruhig, aber er spürte auch eine unbändige Freude. Er würde einen Sohn haben, bestimmt würde es ein Sohn werden! Und dieser Sohn würde nach ihm in Thüringen herrschen, und danach seine Enkel und Urenkel. Eine Dynastie würde er gründen, die seinen Namen trug! Die Zukunft schien verheißungsvoll.
    »Herr! Herr!« Eine Dienerin seiner Frau stürzte herein. »Es sind Zwillinge! Zwei Buben! Alle sind wohlauf.«
    Der Landgraf packte das Mädchen und wirbelte es herum. Dann rannte er in die Kemenate, wo Elisabeth erschöpft und blass in den Kissen saß. Die Hebamme legte ihm ein gewickeltes Kind in den Arm. »Das ist der Erstgeborene, Herr.«
    Voll Staunen sah Heinrich Raspe auf das winzige Gesichtchen herab. Der Säugling hatte die Augen geschlossen, aus seinem Mundwinkel floss ein wenig Speichel. »Heinrich«, sagte er, »er wird meinen Namen tragen. Und du«, er trat an die Wiege, in der der andere Zwilling schlief, »sollst Hermann heißen, nach deinem Großvater.«
    Dann trat er ans Bett. »Wie fühlst du dich?«
    Elisabeth lächelte. »Müde. Aber stolz und froh.«
    Er neigte sich über sie und küsste ihre Stirn. Dann nahm er die Hebamme zur Seite: »Sind die Buben gesund? Und hat die Landgräfin alles gut überstanden?«
    Die Hebamme nickte lächelnd. Heinrich drückte der Frau ein Geldstück in die Hand. »Dank Euch für Eure Dienste. Und holt gleich die Amme!«
    Die Wehfrau knickste, und Heinrich verließ das Wöchnerinnenzimmer. Der Erste, dem er die freudige Nachricht mitteilen wollte, war Wido. Der Perfectus war inzwischen zu alt, um im Land umherzuziehen, und lebte in Eisenach, im Haus hinter der Münze. Tagsüber war er meistens auf der Burg, wo er sein Essen bekam. Heinrich suchte ihn im Arkadengang, wo er sich bei schönem Wetter am liebsten aufhielt. »Meister, segnet mich«, bat er und ließ sich vor Wido auf die Knie sinken.
    »Benedictus«, antwortete der Alte und hob beide Hände über den gesenkten Kopf des Landgrafen. »Du bringst Neuigkeiten? Ich sehe es deinem Gesicht an.«
    »Ich bin Vater zweier gesunder Söhne«, jubelte Heinrich. »Und ich bin Landgraf von Thüringen! Alle meine Wünsche sind in Erfüllung gegangen, Meister!«
    »Alle?« Wido runzelte die Stirn. »Wir hatten noch größere Pläne, weißt du nicht mehr? Gemeinsam mit dem stauferfeindlichen Adel wollten wir den König stürzen, die Krone für dich erobern. Den Bayernherzog, der in der Rangordnung der Umstürzler als Einziger vor dir stand, haben wir zu Kelheim bereits aus dem Weg geräumt. Jetzt fehlt nicht mehr viel. Und dann, als König …«
    »… werde ich die Verfolgung der Reinen im Reich beenden, ja. Ich habe es nicht vergessen. Lasst mir noch ein wenig Zeit, Meister. Eins nach dem anderen. Als Nächstes werde ich mich meines kleinen Neffen annehmen. Er muss sterben, aber unverdächtig. Danach, wenn meine Herrschaft endgültig unangefochten und unbegrenzt ist, können wir uns dem Reich zuwenden.«
    Der Perfectus lächelte. »Ich sage dir: All dein Streben wird gesegnet sein, mein Sohn. Deine Familie wird blühen, deine Macht wird wachsen.«
    »Versprecht Ihr mir das aus Eurem Wissen als heilige Seele heraus?«
    »Ich schwöre, es ist die Wahrheit. Die Engel haben es mir verkündet. Und ihr oberster Gebieter, Luzifer.«
    Heinrich verbeugte sich tief. »Ich danke Euch, Meister. Vereint in unserem Glauben werden wir siegen.« Dann machte er sich auf den Weg in den großen Saal, wo er die Ritterschaft hatte zusammenrufen lassen. Dieser Abend würde ein Fest werden! Und danach würde er sich um seinen Neffen kümmern …
    Wido sah ihm lange nach und rieb sich dabei gedankenverloren die alte Brandnarbe im faltigen Gesicht.
     
    Da war eine Wiese. Gelber

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