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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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kannst, und bitt für mich bei deinem Herrgott, dem du immer treu warst und den ich so furchtbar verleugnet habe. Mir bleibt nur die Hölle, aber du, das weiß ich, wirst einmal zur Rechten Gottes sitzen.«
    Er wandte sich ab, ging mit schleppenden Schritten zu seinem Pferd und ritt fort.

Fragment aus einem Eisenacher Gerichtsbuch
    Am Sambstag nach Remygii des Jahrs 32 wurdt aufm Richtplatz vor der Stadt in Gots Namen gehenkt Conradt Thietz von Eysenach, Lumppensamler, genant der Narren-Contz. Er hat bey der peynlichen Befragungk zugeben, das grosz Hauß hintter der Müntz anzunden zu habn. In dem schröcklichen Brandt fanden den Todt zwelff Menner und Fraun, die sich dortten deß Abendts versammelt hatten, darunther ein ehrwirdiger Greiß mit Namen Wido, der zuletzt in dem Hauß gewohnt, der war ein Wander-Mönch. Dieweiln der Brandt-Stiffter behaupthet hat, der Landtgraf höchstselbstsen hett ihn zu der bößen That angestifft und auch nit von dießer Lüge laßen wollt, hat man ihn zur Straff vor dem Hängken zu fünff Maln mit glühenden Zangen gezwickt.

Epilog: Fünf Jahre später
    Bericht Ulrichs von Dürn, Prior des Deutschen
Ordens zu Marburg, über die Bergung
der Leiche Elisabeths
    In der Nacht Cantate des Jars 1236 betrath ich, Ullricus, mit achtt weitern Brüdern deß Ordens die Kirche der Heyligen Elißabeth, und wir holten voll Ehr-Erbietungk undt unther feyerlichen Gesängen ihre sterblichen Überreste hervor. Wir erwartteten den Leychnam frisch und dufthend und reyn vorzufinden, doch er war halb verweßt und mit Ungetzieffer behafthet wie ander tothe Leyber auch. Sodann verprachten wir den Körpper ins Hauß des Hospital-Schaffers. Überm Fewer kochten wir ihn, solang biß sich alles Fleysch vom Gebein lößte, das darnach weißer war als neu gefallner Schnee. Wir trennten den Schedel ab und richteten ihn her, damit er bey der Krönungk der Heyligen sauber und schön anzusehn sey. Am Endt hüllten wir die Knochen in edeln purpurnen Stoff mit Lilyen und Löwn, dann thaten wir alleß in ein bleyern Sargk und brachthen dießen zwey Tagk späther zurück in die Kirchen, wo man den newen Sarkophagk schon auff gestellt hatt. Der enthelt nunmehro, waß von der heyligen Landtgrefin von Thüring übrig ist. Dieß geschah vor der Erhebungk ihrer Gebeine durch Kaiser Friderich den zweitten dises Namens.
    Auffgezeychent mit eigner Handt am Montag nach Cantate ao. 36
    Ulricus de Thuern, etc.

Gisa, Marburg, 30 . April und 1 . Mai 1236
    U nser Zug näherte sich Marburg langsam von Süden her. Ganz vorne ritt der Kaiser, das »Staunen der Welt«, auf seinem Lieblingshengst, einem zierlichen Araberschimmel. Ihm folgten seine welschen Ritter, deren geputzte Brustharnische grell die Sonnenstrahlen widerspiegelten. Dann ein Elefant, der bedächtig einen Fuß vor den anderen setzte; auf seinen buckligen Rücken hatte man eine Art Sänfte geschnallt, in der fünf Musiker mit Businen und Trommeln saßen und ihre Instrumente erklingen ließen. Zwei riesige rabenschwarze Nubier folgten; jeder von ihnen führte einen Leoparden an einem Lederband. Sarazenische Bogenschützen waren dabei; auch apulische Tierpfleger mit dem halben Tierpark des Kaisers. Die meisten von ihnen trugen morgenländische Gewänder, wie sie bunter und auffälliger nicht sein konnten. Den Bauern, die uns auf dem Weg begegneten, blieben die Mäuler offen stehen. Man sah Falken, Pfauen, Bussarde, Adler, Schleiereulen und Uhus. Fünf Mohren lachten breit von Ohr zu Ohr und hatten dabei jeder einen Affen auf der Schulter. Löwen und Bären wurden in Käfigen mitgerollt. Kamele trugen würdevoll ihre Lasten. Knaben in pludrigen Seidenhosen bliesen mit geblähten Backen auf silbernen Trompeten. Sogar arabische Schönheiten waren im Zug dabei, begleitet von Eunuchen, saßen sie in offenen Prachtwägen und winkten huldvoll.
    Wir, Raimund und ich, ritten ganz hinten im Zug. Beide waren wir froh und aufgeregt, schließlich hatten wir unsere Heimat lange nicht mehr gesehen. Und – im Damenkarren vor uns fuhr unser großes Glück mit und unser ganzer Stolz: unsere zweijährige Tochter. Ja, nach meiner Befreiung aus dem Marburger Kerkerloch waren wir nach Sizilien an den Kaiserhof gezogen, eine Entscheidung, die wir nie bereut haben. Es war Raimunds Vorschlag gewesen, so weit fortzugehen – wir hatten beide die Befürchtung, dass man meine Flucht doch noch entdeckte und Heinrich Raspe mich verfolgen lassen würde, wenn ich im Reich bliebe. Herr Friedrich hat

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