Die Tore des Himmels
Zeitpunkt, sie als verwaiste Braut wegzuschicken. Der Ehevertrag ist hinfällig.«
»Wollt Ihr die Mitgift dann gleich mit zurückschicken?«, bemerkte spöttisch Walter von Vargula. »Denn die steht uns dann nicht mehr zu, nicht wahr? Zu dumm, dass der Landgraf das meiste davon längst ausgegeben hat!«
»Dann muss eben aus der Steuerschatulle bezahlt werden«, ereiferte sich der Eckardsberga. »Im Übrigen wurde Elisabeths verabredeter Brautschatz nur zur Hälfte ausbezahlt, der Rest ist bis heute nicht angekommen. Das ist Wortbruch. Und – andere Bräute haben schließlich auch eine Mitgift.«
»Ihr denkt da nicht zufällig an eine Eurer eigenen Töchter, hm?«, mutmaßte der von Vargula. Dann wandte er sich an die anderen. »Ihr solltet euch schämen. Das Kind wird nicht mehr Landgräfin werden, damit ist doch eure größte Sorge dahin. Warum soll sie nicht weiterhin in Thüringen aufwachsen?«
»Weil sie ein Ärgernis ist, ein Störenfried. Das Mädchen passt nicht an den Hof, sie bringt nur Missstimmung. Ich könnte jedes Mal platzen, wenn sie anfängt, von Gott und der Armut zu sprechen und dabei ein heiliges Getue an den Tag legt.« Die Stimme der Fahnerin hatte einen schrillen Ton angenommen. »Und ich bin nicht die Einzige, die so denkt.«
»Ihr seid ein missgünstiges, hartes Weib«, sagte Rudolf von Vargula. »Was stört Euch ein Mädchen, das gottesfürchtig ist und Zierrat verachtet? Führt sie Euch etwa vor Augen, wie unfromm Ihr selber seid und wie putzsüchtig? Gemahnt sie Euch daran, dass Ihr in Saus und Braus lebt, während Eure Hintersassen sich für die Steuer halb zu Tode schuften müssen?«
»Ei, wie redet Ihr mit meiner Frau?« Der Truchsess baute sich vor Rudolf von Vargula auf. »Seht Euch vor, Herr Ritter!«
Der von Vargula schnaubte verächtlich; ein Wort gab das andere, und es kam zu einem regelrechten Gerangel. Ich hatte genug gehört und schlich davon. Man wollte Elisabeth los sein! Das traf mich tief, und es machte mir Angst, dass der Hofadel sich so über sie ereiferte, ja sogar ihretwegen in Streit geriet. Wenn diese Fahner und Schlotheimer ihren Willen durchsetzten – wie schrecklich würde es für Elisabeth sein fortzumüssen! Ich beschloss, ihr nichts von dem Gespräch zu erzählen, das ich belauscht hatte. Es würde sie zu sehr beunruhigen. Es reichte schon, wenn ich mir Sorgen machte.
Gegen Ende des Winters, als schon überall die Schneeglöckchen blühten – nur, dass jetzt keine Minnedichter mehr da waren, ihre Schönheit zu besingen –, erfuhr auch Elisabeth, wie unsicher ihre Lage war. Es muss um Oculi herum gewesen sein, da geriet sie mit Agnes in Streit, woraufhin diese ihr wutentbrannt ins Gesicht schleuderte: »Mach doch, was du willst! In ein paar Monaten schicken sie dich sowieso wieder zurück nach Ungarn!«
Entsetzt schnappte Elisabeth nach Luft. »Was redest du da?«
»Ach, sag bloß, du weißt es noch gar nicht?« Agnes warf den Kopf in den Nacken. »Jetzt, wo Hermann tot ist, gehörst du nicht mehr zu uns. Der ganze Hof spricht von nichts anderem. Die wollen dich nicht mehr, mit deiner Frömmelei und deinem jämmerlichen Armutsgetue.«
Elisabeth sah Agnes an mit einem Blick voller Verzweiflung; dann drehte sie sich um und rannte mit wehenden Röcken davon, Guda hinterher.
Nach längerer Suche fand ich die anderen in der kleinen Bohlenstube neben der Kapelle. Guda, ganz bleich im Gesicht, stand einfach nur mit hängenden Armen da, und Elisabeth saß auf einem Bänkchen und weinte. Als sie mich sah, kam sie mir entgegen und fasste meine Hände. »Stimmt das, was Agnes sagt?«, fragte sie unter Tränen.
Ich konnte nicht lügen. »Ja, sie reden drüber«, antwortete ich. »Aber es ist noch nichts entschieden.«
»Ach Gisa, was soll ich denn in Ungarn?« Elisabeths Stimme zitterte. »Ich will da nicht hin. Meine Mutter ist tot, an meinen Vater erinnere ich mich kaum. Ich bin doch hier zu Hause! Ihr seid meine Familie!«
»Das können sie uns nicht antun«, jammerte Guda.
Ich fürchtete doch, das konnten sie. »Geh zur Landgräfin«, riet ich Elisabeth. »Sag ihr, dass du hierbleiben willst, und bitte sie, dich zu behalten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich trau mich nicht.« Dann weinte sie wieder, ihre Schultern zuckten und ihre Tränen tropften mir auf die Hände. Schließlich standen wir zu dritt da und hielten uns aneinander fest. »Versprecht mir, dass ihr mich nicht alleine lasst«, schluchzte Elisabeth. »Ich brauch euch doch!«
Und
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