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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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verzweifelt mit dem Gedanken, sein Erbe abzulehnen und ins Kloster zu gehen. Aber dann? Dann würde Heinrich Raspe Landgraf, und Heinrich war immer noch dem ketzerischen Glauben verhaftet. Ludwig kannte seinen Bruder; er neigte dazu, sich dem Bösen ganz und gar hinzugeben. Und er neigte zu Unvorsichtigkeiten. Was, wenn sein Ketzertum ans Licht kam? Thüringen würde in den Kirchenbann fallen; es würde zum Spielball der Nachbarmächte werden; es würde Krieg geben; das Land wäre für die Dynastie der Ludowinger auf immer verloren. Das wollte Ludwig nicht. Nein, er würde die Verantwortung auf sich nehmen. Der Allmächtige hatte sich an seinem Vater gerächt und an seinem ältesten Sohn Hermann. Vielleicht war es sein Wille, dass gerade Ludwig als geläuterter Ketzer Thüringen mit frommer, gottgefälliger Hand lenkte. Und beim Himmel, dachte Ludwig, das werde ich tun!
    Am Tag nach der Beisetzung seines Vaters führte sein erster Weg den neuen Landgrafen zu Meister Berthold, dem Hofkaplan. »Vater«, bat Ludwig den Kaplan, »ich bitte Euch, vollzieht an mir das Sakrament der Taufe.«
    Berthold riss entgeistert die Augen auf, sein Doppelkinn zitterte, und er stotterte stärker als sonst, als er entgegnete: »A… a… aber Herr, Ihr s… seid schon als Ki… kind getauft!«
    »Ich weiß«, entgegnete Ludwig müde, »doch ich habe mich von Gott und den Heiligen abgewandt. Ich war schlimmer als der schlimmste Heide. Jetzt habe ich meinen Fehler erkannt und bereut. Vater Berthold, ich will wieder in den Schoß der heiligen Kirche zurück.«
    Berthold verstand. Er hatte durch Sophias Beichten gewusst, dass der alte Landgraf dem Ketzertum zuneigte. Nun also auch der Sohn! »Ihr wisst, dass die T… taufe allein Euch nicht vor der Hölle retten kann«, sagte er. »Ketzerei ist eine Sünde ohnegleichen. Für das, was Ihr getan habt, b… braucht es ein ganzes Leben der Buße und der guten Werke.«
    Ludwig lachte bitter auf. »Ich weiß nicht, ob ich je errettet werden kann, Vater. Ich habe gelitten wie ein Tier, und ich tue es noch ob dieser Ungewissheit. Aber ich will in Zukunft ein christliches Leben führen, wie es Gott von mir verlangt. Vielleicht nimmt der Herr mich dann wieder an.«
    Wenig später war Ludwig ein zweites Mal in den Kreis der Gläubigen aufgenommen. Die heilige katholische Kirche hatte eine verlorene Seele zurückgewonnen. Und sein Leben konnte jetzt weitergehen: als christlicher Fürst und Landesherr.

Brief der Prinzessin Elisabeth von Ungarn an
den lieben Herrn Jesus vom 8. Mai 1217
    Liber Herre Jesus, süezzer Erlößer, du Hertze mein,
    deine diemüetigste Magd will dir alleyn beichten, der du die Sünden der Weltt vergibst. Und schwere Sündt ist es, wenn eine glüecklich üeber den Todt ihrs Bräuttigams ist. Aber ich bins. Ich kann nit trauren, denn ich wollt ime nie. Mögest doch dise Last von mir nemen, Herre mein, und ich will auch imer getreu seyn und vil beten und diemüetig den Armen geben. Auch bitt ich schön, hülff, daß man mich nit heym sendt nach Hungarn, dieweiln ich doch hier zu Thüeringk daheim bin. Und verzeyh die schlimen Sünden aller Menschen und nim den liben toten Landgrav und sein Sohn an in deiner unermeslich Gnad. Und hülff auch der Guda mit ihrm wehen Zahn, Amen.
    Geschriben am Tag nach Exaudi anno 17 von Elisabeth, deiner geringken Dienerin.

Primus
    I m Frühling ist gut sein, sagt die Mutter. Da wächst alles, und Mensch und Tier sind all froh. Wir haben uns schön eingewöhnt auf dem neuen Hof, und weil wir den fetten Keiler gefunden haben, sind wir gut über den Winter gekommen und waren immer satt. Das Fleisch ist jetzt weg, und dafür gibt es Grünzeug: junge Brennnesseln und Schloten und frische Kräuter, aus denen die Mutter mit Mehl eine Suppe kocht. Die schmeckt nicht und macht auch nicht richtig satt, aber man hat wenigstens einen warmen Bauch. Der Michel mag sie gar nicht essen, er hängt sich stattdessen lieber an die Zitzen unserer Ziege, wenn sie ihn lässt.
    Mutter hat mir erzählt, dass in ihrem Bauch wieder ein Geschwisterchen drin ist. Und dass, so Gott will, heuer bestimmt das Korn gedeiht und das Brot dann für alle reicht. Ich soll nur recht folgsam sein und immer schön beten, dann macht der liebe Gott, dass alles gut ist.
    Wir haben einen neuen Herrn, sagt der Pfarrer. Der alte ist verrückt geworden, sagen die Leute. Der Teufel hat ihn geholt, sagt der Guntram vom Nützelhof, der immer zu Vater zum Biertrinken kommt. Der neue Herr ist jung

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