Die Tore des Himmels
Kaiserhof mit Ludwig gesprochen. Auch er hat nichts dagegen, dass du bleibst.«
Ein Juchzer, und Elisabeth fiel ihrer Ziehmutter um den Hals. Guda, Agnes und ich kreischten vor Freude. Unsere größte Angst war uns endlich genommen.
Wir genossen den Sommer auf der Creuzburg und waren einfach glücklich, Elisabeth bei uns behalten zu dürfen. Fast hatte ich meinen Liebeskummer vergessen, freute mich wieder an den alten Kinderspielen, dachte nicht an meinen Ritter. Bis Agnes eines Tages in die Stube stürmte.
»Hast du schon gehört, wer heute früh angekommen ist?«, fragte sie mich. Sie hatte schon wieder diesen boshaften Blick.
Ich schüttelte den Kopf. »Wer denn?«
»Na, der edle Ritter von Kaulberg, zusammen mit seinem bildhübschen jungen Weib! Draußen im Hof sind sie grade!«
Wir rannten zum Fenster und sahen hinaus. Mein Herz krampfte sich zusammen. Ja, da standen die beiden Arm in Arm, wahrhaftig ein schönes Paar! Man konnte sehen, wie glücklich sie waren. Ich versuchte, den aufsteigenden Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken.
Agnes bemerkte meine unglückliche Miene und lachte. »Den hättest du wohl auch gern gehabt, oder? Na ja, jetzt ist es ja wohl zu spät!«
»Du bist gemein«, sagte Elisabeth. »Lass sie!«
»Ach, du hast recht, die Ärmste!«, hänselte Agnes. »Hat ihr Liebster doch eine andere geheiratet!«
Das war zu viel! Ich drehte mich zu ihr um, holte aus und schlug sie mitten ins Gesicht. Sie ging auf mich los und kratzte mich wie eine Katze. Um sie abzuwehren, zog ich an ihren Haaren.
»Hört auf!« Guda und Elisabeth warfen sich zwischen uns, aber bevor sie uns trennen konnten, erwischte ich noch eine von Agnes’ Haarsträhnen und riss sie aus. Triumphierend hielt ich meine Beute hoch.
Agnes sah das Büschel in meiner Hand und fasste sich wütend an den Kopf. »Wie hast du überhaupt glauben können, dass einer wie Raimund dich nimmt?«, schrie sie los. »So eine wie dich will doch niemand. Schau dich doch an: Keinen Pfifferling hast du, bist arm wie eine Kirchenmaus! Da soll dich jemand von Rang heiraten wollen? Du musst ja froh sein, wenn dich überhaupt einer wenigstens zur linken Hand nimmt! Und überhaupt, wer verliebt sich schon in ein Hinkebein?«
Ich brach in Tränen aus; ihre Worte trafen mich tief. Agnes trat wieder auf mich zu und sah mich mit mitleidsvoller Miene an. »Aber vielleicht«, sagte sie zuckersüß, »vielleicht findet ja meine Mutter einen verarmten kleinen Ritter für dich. Oder einen garstigen fetten alten, der sich freut, wenn er eine junge Frau kriegt.«
Ach Gott! Ja, dachte ich, das wird meine Zukunft. Ein freudloses Dasein als alte Jungfer oder eine Ehe, zur Notdurft geschlossen. Lieber wollte ich tot sein! Ich schlug die Hände vors Gesicht. Agnes stand da und lachte. Sie hatte gewonnen.
Guda und Elisabeth saßen betreten da und sahen zu, wie ich meiner Verzweiflung freien Lauf ließ. Dann sprang Elisabeth plötzlich auf, lief zu ihrer Truhe und holte etwas heraus. »Hier«, lachte sie und ließ eine Handvoll Ringe und Silbermünzen in meinen Schoß rieseln. »Das schenk ich dir. Und wenn ich erst ganz frei über meine Mitgift verfügen kann, bekommst du alles, was du brauchst. Ich hab doch so viel, da ist genug übrig, um den schönsten Edelmann der Welt für dich zu finden.«
Das war meine Schwester! Ich fiel ihr um den Hals, aber sie wehrte ab. »Bete zehn Vaterunser und stell dem Apostel Johannes eine Kerze unter sein Bild in der Kapelle«, sagte sie. »Das ist mir Dank genug.«
Agnes drehte sich um und tippte sich an die Stirn. Dann rauschte sie aus dem Zimmer
Zwei Monate lang glückte es mir, ein Treffen mit meinem Ritter zu vermeiden. Ich verkroch mich im Frauenzimmer, machte einen weiten Bogen um die Turnierwiese, hielt mich beim Kirchgang eng an die Landgrafenfamilie. Dann war ich aus meiner Not erlöst, denn er ging auf Kreuzfahrt.
Es war der fünfte Kreuzzug, und der Stauferkaiser Friedrich hatte ihn gelobt. Im Sommer 1217 brach König Andreas von Ungarn, Elisabeths Vater, gemeinsam mit Herzog Leopold von Österreich ins Heilige Land auf, um Akkon zu sichern. Friedrich wollte sein Heer dort mit dem ihren vereinen. Ich wunderte mich damals, warum ausgerechnet Raimund von Kaulberg das Kreuz nahm, wo doch nur wenige deutsche Ritter sich beteiligten. »Sein Vater ist entschlossen zu gehen«, erzählte mir Herr Rudolf von Vargula, als ich ihn schüchtern danach fragte. »Ei, der alte Kaulberg ist ein sturer Esel und nach
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