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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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es ganz vorsichtig, es fasst sich wunderbar weich an. Und dann beiße ich ab, einmal und noch einmal, und ich schlinge das ganze Stück gierig hinunter.
    Inzwischen ist ein Mädchen herangekommen, ein großes, dunkles mit schwarzen Haaren. »Sieh nur«, sagt sie zu meinem Engel, »wie mager er ist, und wie zerrissen seine Kleider sind. Der Arme hat bestimmt ein elendes Leben.«
    Ich schaue an mir herunter. Die Hose hat ganz schön viele Löcher, und mein Hemd ist zerfleddert, aber das ist bei allen hier so. Trotzdem schäme ich mich.
    »Und die Läusekrätze hat er auch«, redet die Dunkle weiter. Na und, denke ich, die haben auch alle.
    Und dann geschieht etwas Unglaubliches. Die Dunkle nestelt ein Beutelchen auf, das an ihrem Gürtel hängt, und holt etwas heraus. Sie gibt es dem Engel, und der drückt es dann mir in die Hand, und als ich die Faust aufmache, liegt ein Geldstück darin, darauf ist ein Reitersmann!
    Da drehe ich mich ganz schnell um und laufe weg, laufe, so schnell ich kann, zurück, die Finger ganz fest zugedrückt, damit ich meinen Schatz ja nicht verliere. Schon von weitem rufe ich meinen Eltern zu: »Ein Geschenk, ich hab ein Geschenk!«
    »Ein silberner Hohlpfennig«, sagt der Vater staunend und hat schon vergessen, dass er mich eigentlich hauen wollte, weil ich den Michel allein gelassen habe. Die Mutter schlägt vor lauter Freude die Hände zusammen, und der Johannes guckt neidisch.
    »Ist das viel?«, frage ich.
    »Sehr viel«, sagt Vater. »Du bist ein Glückspilz, Primus. Und wer hat dir den Pfennig nun gegeben?«
    Ich tanze um meine Eltern herum. »Mein Engel, mein Engel«, singe ich.
    Sie lachen, und ich bleibe stehen. »Doch, es stimmt. Weißt du nicht mehr, Vater, die alte Frau, die mir die Zukunft gedeutet hat? Sie hat gesagt, dass ein Engel auf mich aufpassen wird, mein ganzes Leben lang. Und den hab ich gesehen, bei den Leuten, die vorhin vorbeigeritten sind.«
    »Na, wenn er dir so viel Geld geschenkt hat, dann muss es wohl ein Engel gewesen sein«, lacht der Vater.
    Den ganzen Tag über sitze ich am Ackerrain und bin zum Platzen froh. Als die Sonne schon tief steht, gehen wir heim. »Vater«, frage ich, wie ich so an seiner Hand zum Hof laufe, »mein Engel – wann kommt er denn wieder?«

Gisa
    O je, wie sollten wir es am besten anfangen? Ich biss mir vor Aufregung auf die Lippen, als wir auf den Söller stiegen. Elisabeth war ganz blass, und Gudas Nasenflügel bebten, wie immer, wenn sie Angst hatte. Sogar Agnes war mitgekommen, sie ging voraus, und selbst ihr konnte man die Anspannung anmerken. Als wir oben waren, versteckte sich Guda halb hinter Agnes, und ich schubste Elisabeth nach vorne.
    Da standen wir nun, die Landgräfin saß mit wehendem Schleier vor der Zinne, und keine von uns getraute sich, den Anfang zu machen. Schließlich stieß Agnes mich mit dem Ellbogen an, und ich stolperte einen Schritt vor. Da stand ich nun, die Landgräfin sah mich mit hochgezogenen Brauen an. Also musste ich es wagen. »Mutter«, begann ich mit piepsiger Stimme – immer wenn ich aufgeregt bin, wird meine Stimme hoch und dünn, auch heute noch –, »wir möchten Euch gern fragen … was Ihr … ich meine … wie Ihr nun …«
    Sophia sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Nun heraus mit der Sprache, Kind, du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen!«
    Ich fasste mir ein Herz. »Ei, ob nun Elisabeth bei uns bleiben darf oder ob Ihr sie nach Ungarland zurückschickt, wie die Leute sagen. Jetzt, wo ihr armer Bräutigam nicht mehr am Leben ist. Aber sie möchte doch so gern hierbleiben, weil sie im fernen Ungarland doch niemanden kennt und ihr dort alles fremd ist. Und wir sind doch ihre Schwestern und wollen sie bei uns behalten. Und Ihr seid doch ihre Ziehmutter und habt sie lieb, und wenn Ihr sie liebhabt, dann dürft ihr sie nicht fortschicken.« So, jetzt war es heraus.
    Die Landgräfin lächelte und winkte uns näher heran. Wir ließen Elisabeth den Vortritt, und so stand sie mit gesenktem Kopf vor ihrer Ziehmutter. Wie immer war ihr dunkles Haar in zwei dicke, unordentliche Zöpfe geflochten, ein paar Locken wehte ihr der Wind in die Stirn. Sophia streckte die Hand aus und hob ihr Kinn an. »Nun, Tochter, stimmt es denn, dass du gerne bleiben willst?«
    Elisabeth schluckte. »Ach ja«, sagte sie, »gar zu gern. Ich bitte jeden Tag unseren Herrn Jesus, dass er mich hierlässt.«
    »Nun, dann sei es so«, erwiderte die Landgräfin. »Ich habe noch vor seinem Abreiten an den

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