Die Tore des Himmels
verheiraten. Eine Mitgift hat sie ja.«
Der Alte schüttelte den fast kahlen Kopf. »Es wäre schade, wenn wir eine so stattliche Summe Geldes samt dem Kleinodienschatz aus der Hand geben würden. Reicher ausgestattet wird schwerlich eine andere Braut sein. Mein Junge, was ich sagen will, ist: Warum nehmt nicht Ihr sie und tretet so an Eures Bruders Stelle? Ihr habt die Kleine doch gern, und sie Euch!«
Eine ganze Weile lang sagte Ludwig gar nichts. Nachdenklich ritt er vor sich hin. Warum war er nicht längst selber darauf gekommen? Elisabeth! Er hatte sie nie als Frau angesehen; sie war seine Schwester von klein auf, seine Lieblingsschwester. Und seine Vertraute, trotz ihrer jungen Jahre. Sie war ja erst dreizehn – sieben Jahre jünger als er. Während sein Pferd ruhig Huf vor Huf setzte, überlegte Ludwig weiter. Elisabeth wäre der Mensch, vor dem er sich für sein Versagen wohl am wenigsten schämen würde. Mit ihr war er vertraut wie mit keiner anderen Frau auf der Welt. Mit ihr konnte er reden, sie würde ihn nicht auslachen, sie würde sein Geheimnis bewahren. Und indem er sie heiratete, konnte er wenigstens bei ihr die Schuld am Tod seines Bruders begleichen. Eine Last weniger, die er zu tragen hatte. Himmel ja, dachte Ludwig, Elisabeth! »Hat sie Euch geschickt?«, fragte er den von Vargula, der immer noch neben ihm herritt.
»Nein, Liebden.« Der Alte zögerte. »Aber eine ihrer Gespielinnen hat mir kürzlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, dass Elisabeth Euch wohl zugetan ist. Sie würde sich glücklich schätzen, Eure Frau zu werden.«
Die Gespielin war ich. Ich hatte Herrn Walter eines Abends allein am Kaminfeuer angetroffen und ihn gefragt, wer wohl die nächste Landgräfin würde. Danach hatte ein Wort das andere ergeben. Jeder wusste, wie gern er Elisabeth mochte; ich hoffte, dass er sich für sie verwenden würde. Und ich behielt recht.
Ludwig sah seinen alten Ratgeber von der Seite an. »Herr Walter, das werde ich Euch nicht vergessen. Ihr habt mir einen wahrhaft guten Dienst erwiesen.«
Dann gab er seinem Pferd die Sporen und setzte sich gutgelaunt an die Spitze der Jagdgesellschaft.
Tags darauf schickte Ludwig Elisabeth einen kleinen Handspiegel aus poliertem Silber, auf dessen Rückseite ein Abbild des Martyriums Christi graviert war. Er hatte seiner Großmutter gehört.
Wir alle wussten sofort, was das bedeutete.
Aus der Kreuzzugs-Chronik des Raimund von
Kaulberg, geschrieben von 1219–21
Wir ließen unß also in Damieta nieder, die Stadt gehörte gantz und gar unß Francken. Nun wollten wir wartten, biß der Kaiser Friederich wie versprochen Verstärckung bringen würd, dann wollten wir gemeynsam auff Kairo zu reitten und die Heere des Sulthans endt gültig schlagen. Aber der Kaiser plieb wo er war, im »langen Landt«, wie die Mußelmanen das Welschland nennen.
Wir lebten über ein Jahr in Damiet, und ein gutes Leben war es fürwahr! Keine Noth litten wir, denn das Landt am Nil ist fruchtbar und reich, es gibt Fleisch und Korn im Überfluß. Wir aßen Speysen, von den Frauen der Mußelmanen gekocht, die warn üppig gewürzet wie wir es zuvorn nit kannten, mit Safferan, Zimmet und Pomerantzen – seitdeme scheint mir das heimisch Eßen manchmal fad und ohne Reitz. Besonderß die Süezigkeiten fanden unsern Beyfall, mit Zucker in groszen Mengen gemacht, honigtrieffend und safftig von Früchtten. So mancher unter den Rittern wünschte sich, niemalß mehr in die Heymat zurückzukehren.
Da erreicht unß die Nachricht, daß der Sultan al Kamil mit einem groszen Heer gen Damiett zog. Viele jubelten, denn sie waren den Müeßiggang leyd und wollten die Muselmanen besiegen, um endtlich Jerusalem zu erobern. Sie waren es auch, die am Ende den Entschluß faßten, nur ein Teill des Heers alß Besatzungk in Damiet zu laßen und den Feinden außerhalb der Stadt die Schlachtt anzubiethen. Ich war einer der wenigen, die dagegen die Stimm erhoben, weiln ich es für falsch hieltt, die sichere Stadt zu verlaßen, und es macht mich nit froh, daß ich recht behaltten sollt.
So zogen wir biß an den Arm des Nils, den sie Bahr Aschmun nennen. Am andern Ufer lagerte der Sultan mit Zehn Taußend Männern. Wir beschoßen die Feindt übers Wasser mit Pleyden und Wurff-Schleudern und fügten ihnen vil Schaden zu. Doch dann eroberten die Saracenen drey unsrer Galeeren auff dem Nil, und sie erhieltten auch noch Verstärckung durch al Muassam, den Herrn von Damaskus, und andere. Da
Weitere Kostenlose Bücher