Die Tore des Himmels
fingen die Boten an, hin und her zu reitten, um einen Frieden zu verhandeln. Die Mußelmanen bothen unß Jerusalem, Askalon, Tiberias, Sidon und andere Ortte im Heyligen Landt an im Tausch gegen Damiet. Heut noch frage ich mich, warum unsre Führer dieß Angebot aus schlugen. Was anders wollten wir denn als Jerusalem? Mein Verstand reicht nit aus, zu begreiffen, warum man, dießen Sieg vor Augen, dem Sulthan nit die Handt reichte. Wieder sprach ich gegen den Beschluß der anderen, und wieder hörthe mich keiner, alle warn sie feßt entschloßen zum Kampf. Wir wollen nit nur Jerusalem, riefen sie. Wir wollen das gantze Heylig Landt, Gott und Christus und allen Heyligen zu Ehren. Und dann nahm das böße Verhängkniß seinen Lauff. Es war im Monat August des Jahrs 1221 .
Die Mußelmanen schickten heimblich des nachts Männer auff unßre Seite des Flusses, die öffneten die Schleußen des Nils. Überall stieg darauff hin das Waßer; uns plieb zur Rettungk nur ein schmaler Erddamm. Sulthan al Kamil warff bei Aschmun Brücken über den Fluß, seine Truppen besetzten den Weg, den wir hätten nehmen müßen um unß nach Damiet zurück zu ziehen. So plieb uns kein Auswegk mehr, wir waren gefangen wie der Fisch im Netz. »Gott ist gegen unß«, rieffen viele und wollten auff geben. Aber da sprach Kardinal Pelagius, der Legat des Papstes, folgendermaßen: »Gott will, daß wir das Heylige Landt von den Ungläubigen befreien. Wir sindt allhier mit dem Segen des Papstes Honorius, die gantze christliche Weltt blicket auff uns. Ihr Ritter, fürchtet euch nicht, zu kämpfen! Soll es heißen, die das Kreutz nahmen gingen im Schlamm des Nils unter? Oder soll es heißen, die Ritter von Damiet hätten sich feig ergeben? Nein, Ihr Edlen, wir werden unß den Wegk zurück in die Stadt frey kämpfen. Wir werden nit weichen im Namen Gottes vor den Ruchloßen, den ungläubigen Hunden, den elenden Heiden! Ein christlicher Ritter stirbt oder er erringt den Sieg im Zeychen des Kreutzes!«
Da jubelten die Männer, die unglücklichen. »Hier sollen unßre Köpfe fallen«, schrien sie, »hier sollen unsre Seelen vergehen, soll unßer Bluth fließen. Qualen und Wunden nehmen wir auff unß, unßer Leben geben wir für die Rettungk Jerußalems.« Wir hielten die Banner hoch, während wir alle Zeltte, das schwere Kriegsgerät und alles Gepäck verprannten, und wir schwenkten die Fahnen, als wir im Schlamm gegen die Reihen der Saracenen anstürmten. Es war ohne Hoffnungk. Ich war unter einem Trupp Deutschritter, die mit Gotts Hülfe am längsten stand hieltten. Ich sah die Glieder der Gefallnen nackt im Schlamm ligen, in Stücken verstreutt über den Kampf Platz, zerfleischt und auß den Gelencken gerißen. Ich sah gespaltne Köpffe, die Hälse abgehauen, die Nasen verstümmelt, die Augen außgedrückt, die Haare von Bluth gefärbt. Ich sah auffgeschlizte Bäuche, zerhauene Brußtkörbe, gebrochne Arme, durchstochne Rippen, geschundene Haut. Es war das Furchtbarste.
Mein Leben galt mir nichts. Ich kämpfte wie im Rausch, hieb hierhin, stach dorthin, um mich fielen die Männer, Feinde wie Freunde. Mein Pferd wurde von sieben Seldschucken-Pfeillen getroffen und starb, doch ich fand ein andres ohne Reitter. Später erzälte man mir, es sey der Schimmel des Kardinals geweßen. Ich weiß nit mehr, wie langk die ungleiche Schlachtt währte, denn ein Hieb traff mich in die Seite und ein zweitter auf den Helm. Um mich wurd es Nachtt, und ich sanck ohnmächttig auß dem Sattel …
Eisenach, Januar 1221
D ie ganze Stadt hatte sich herausgeputzt für das große Ereignis. Man hatte den Unrat vor den Häusern entfernt, die tiefen Fahrrinnen in den Gassen mit Steinen aufgefüllt, die Misthaufen auf die Äcker vor der Stadt gekarrt. Die Hauswände waren schön mit Fichten- und Tannenzweigen geschmückt, und aus den Fenstern hingen Fahnen in den Farben der Ludowinger. Von den Schornsteinen stieg kerzengerade der weiße Rauch der ersten Herdfeuer. Es lag kein Schnee, aber als die Sonne über den nahen Hügeln aufging, ließ ihr Licht den silbernen Reif auf den Dächern glitzern wie tausend Diamanten.
Alle Unterkünfte in der Stadt waren mit Gästen belegt. Die vornehmsten unter ihnen waren natürlich im Steinhof untergebracht; wer hier keinen Platz mehr gefunden hatte, wohnte entweder droben auf der Wartburg oder im Hellgrevenhof und den anderen Herbergen. Eisenach platzte aus allen Nähten.
Die Hofhaltung war perfekt für das Fest vorbereitet. Mit Tagesanbruch
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