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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Armband, alles aus der reichen ungarischen Aussteuer. Dann der Schleier, ein schimmerndes Prachtstück Kölner Seidenweberkunst, das Gewebe so fein, dass man beinahe durchsehen hätte können, wäre da nicht ein darüberliegendes Gespinst aus goldenen Fäden gewesen.
    Ganz zum Schluss trug Guda das Myrtenkränzlein herbei und wand es um Elisabeths Kopf. Es war das für alle sichtbare Zeichen für die Keuschheit und Unberührtheit der Braut – wäre sie, Gott behüte!, nicht mehr jungfräulich, müsste sie zu ihrer Schande für alle sichtbar einen Strohkranz tragen.
    Gisa war wehmütig zumute, während sie die grünen Zweige feststeckte. Sie dachte an Raimund von Kaulberg. Wo er wohl jetzt war? Ob er überhaupt noch lebte? Und wie es inzwischen um ihn stehen mochte? Vielleicht wollte er ja gar nicht zurückkommen an den Ort seines Unglücks? Doch dann fiel ihr Heinrich Raspe ein. Er würde wohl der Nächste sein, für den Sophia eine Frau finden wollte. Wie immer, wenn sie an ihn dachte, spürte Gisa dieses Kribbeln, dieses mächtige Verlangen. Nein, sie würde er bestimmt nicht heiraten, sie war ja niemand und hatte nichts. Ihr Herz wurde schwer, aber dann blickte sie in das strahlende Gesicht der Braut und wischte die dunklen Gedanken fort. Heute wollte sie sich mit Elisabeth und Ludwig freuen, ganz gleich, wie es um ihr eigenes Schicksal stand.
    Sophia rauschte in einer silbergrünen Prunkrobe ins Zimmer, ein Tiegelchen mit roter Farbe in der Hand. »Hier, Tochter«, sagte sie, »damit du an deiner Hochzeit schön bist!« Mit der Spitze ihres Zeigefingers tupfte sie ein wenig von der Paste aus Fett, Bleiweiß, Lilienwurzel und Brombeersaft auf Elisabeths Lippen. »So! Und jetzt komm, wir sind schon spät dran.«
    Elisabeth war schon durch die Tür, als Guda noch aufgeregt mit dem Brautmantel hinterherlief. Sie warf ihrer Freundin das teure Stück aus Samt, Zobel und Hermelin um die Schultern und machte das Tasselband fest. Jetzt konnte die Zeremonie beginnen.
     
    Eigentlich war es Brauch, den kirchlichen Segen erst nach dem Beilager einzuholen, aber die Brautleute hatten beschlossen, es umgekehrt zu machen. Sie wollten die göttliche Zustimmung an den Anfang ihrer Ehe setzen. Also versammelten sich nun alle hochgestellten Mitglieder der Hofhaltung, die Gäste aus nah und fern und die landgräfliche Familie im Innenhof der Stadtresidenz. Als Elisabeth aus dem Torbogen des Nordflügels trat, erschollen die ersten Hochrufe. Lächelnd schritt sie an Sophias Hand auf ihren Bräutigam zu, der schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Ludwig war hin- und hergerissen an diesem Tag. Aber als die junge Braut auf ihn zukam, lächelte er dann doch. Hübsch wie nie sah sie aus, und prachtvoll gekleidet wie eine Königin war sie. Eine rechte Landgräfin fürwahr! Er bot ihr seinen Arm, und gemeinsam schritten sie aus dem Steinhof hinaus in die Morgensonne.
    Draußen brandete Jubel auf. Alles, was in der Stadt Beine hatte, war auf Rolle und Mittwochsmarkt versammelt. Der Schultheiß und die ehrenfesten Stadtverordneten traten vor und verbeugten sich so tief, dass ihre Nasen fast den Boden berührten. Nach einer flammend vorgetragenen Rede überbrachte der Stadtoberste die obligatorischen Glückwünsche aller Bewohner von Eisenach und überreichte dem Landgrafen ein wunderhübsches Löwenaquamanile aus getriebenem Silber. Ludwig dankte aufs Artigste für das großzügige Geschenk der Bürgerschaft und verwies dabei auf den Löwen als das stolze Wappentier seiner Familie. Dann reichte er das Gefäß weiter an seinen Kämmerer, der es wiederum dem Silberknecht anvertraute.
    Vor dem Portal wartete der Priester, es war Berthold, der Hofkaplan. Das junge Paar trat vor Vater Berthold hin, während die Vornehmsten des Landes und alle Familienmitglieder einen großen Kreis um die drei bildeten. So war es Brauch von alters her, wenn man die Segnung im Schatten der Kirche für die Ehe einholen wollte – was beileibe nicht jedermann tat, vor allem nicht die einfachen Leute, die sich die hohen Altargebühren einer Hochzeit nicht leisten konnten und denen eine Winkelehe vollauf genug war. Berthold richtete sich hoch auf; man sah ihm an, welch große Freude er dabei empfand, seine beiden Schützlinge trauen zu dürfen. Mit lauter Stimme stellte er die einfache Frage: »Ludwig, Landgraf zu Thüringen, Pfalzgraf zu Sachsen, Graf von Hessen, willst du Elisabeth aus dem Geschlecht der Arpaden, Prinzessin von Ungarn, zum ehelichen

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