Die Tore des Himmels
brach emsige Betriebsamkeit aus. In der Küche wurden die Feuer hochgeschürt, schlaftrunkene Küchenjungen kauerten daneben und drehten regelmäßig die Spieße mit Schweinekarbonaden, Lammschlegeln und allerlei Geflügel. Draußen im Hof hingen schon seit dem Vortag zwanzig Ochsenhälften über kleinem Feuer und garten langsam vor sich hin. Hunderte Näpfe mit Sülzen standen längst zum Kühlen im Keller, daneben stapelten sich Rauchfleisch und Käselaibe vor runden Bottichen voller frisch geschlachteter Karpfen und Fässern mit noch lebenden Krebsen. In riesigen Kesseln blubberten Hirschpfeffer, Hechtsuppe, Kraut, Erbsenmus und Linsen – die Beikost war recht eintönig im Winter, aber es kam schließlich auf die Fleisch- und Fischgerichte an. Und auf die Süßspeisen, die, wie man wusste, die Braut besonders liebte.
Auch Elisabeth wurde beim ersten Tageslicht geweckt – es war das letzte Mal, dass sie in der Mädchenstube des Frauenzimmers schlief. Ab heute würde sie ihre Nächte im Fürstinnengemach verbringen, zusammen mit ihren Lieblingszofen Guda und Gislind.
Zwei Knechte schleppten eine Kufe mit warmem Wasser herbei, in die Elisabeth sich nackt stellte und von ihren Dienerinnen waschen ließ. Wie es der Mode entsprach, wurde sie sorgsam am ganzen Körper rasiert und mit Rosenöl gesalbt. Auch ihren etwas unregelmäßigen und zu tiefen Haaransatz beglich das Rasiermesser, damit sie an ihrem Festtag eine schöne hohe Stirn zeigen konnte. Eine der älteren Hofdamen zupfte ihr die dichten Brauen und brachte sie in eine geschwungene Form. Danach schnitt ihr Guda die Fingernägel und reichte ihr ein Näpfchen mit Aschepaste und weiche Holzstäbchen zum Zähneputzen.
Elisabeth ließ alles geduldig und mit einem Lächeln über sich ergehen. Sie war so glücklich wie noch nie in ihrem Leben. Die jahrelange Unsicherheit war vorbei, endlich hatte sie ihren Platz gefunden, den Ort, wo sie hingehörte: an die Seite Ludwigs, des Landgrafen von Thüringen, des Mannes, den sie liebte. Singen und jauchzen hätte sie mögen und Gott unablässig Dank sagen für die wunderbare Wendung ihres Schicksals. Heute will ich schön sein, lieber Herr Jesus, dachte sie, schön für meinen Mann. Verzeih, wenn ich kostbare Kleider trage und edlen Schmuck, wenn ich in Pelz und Seide gehe. Morgen will ich wieder demütig und ohne Hoffart sein, aber dieser Tag soll allein meinem Gatten gehören, ihm will ich gefallen, auf dass er mich liebt und bewundert.
Zwei von Sophias Dienerinnen brachten aufgeregt schnatternd die Hochzeitsgewänder. Als erstes schlüpfte Elisabeth in ein Unterkleid aus feinstem weißen Leinen, das ihre Blöße bedeckte. Darüber zog sie eine gefütterte, burgunderfarbene Winterkotte. Dann kam ein ganz besonderes Kleidungsstück: Unter ihrer Aussteuer hatte sich auch der Krönungsmantel ihrer Mutter befunden, ganz aus kostbarster hellgrauer Seide, damals ein Geschenk aus Byzanz. Unglücklicherweise waren schon vor Jahren die Motten hineingeraten, aber aus den Resten hatte sich noch eine herrlich schimmernde Tunika nähen lassen, die bis über die Hüften reichte. Dies war die dritte Schicht, auf die nun noch der Surkot folgte, ein ärmelloses, blauseidenes Übergewand, das zwölf Näherinnen in wochenlanger Arbeit über und über mit Stickereien verziert hatten. Es folgte ein Gürtel aus schwerem, gehämmerten Silber, der locker auf den Hüften getragen wurde – ein Geschenk von Sophia. Dann wurden die trompetenförmigen Schmuckärmel aus rotem, perlenbestickten Samt angenestelt, deren Zipfel bis zum Boden reichten.
Jetzt kam die schwierigste Arbeit für die Zofen: Elisabeths Haar musste gebändigt werden. Das war Gislinds Aufgabe, sie hatte das meiste Talent, was Frisuren betraf. Mit Hilfe von veilchenduftendem Leinöl bändigte sie die widerspenstigen schwarzen Locken, so gut es ging, und verlieh ihnen Glanz. Dann drehte sie kunstfertig die Ohrenschnecken und steckte sie mit beinernen Nadeln so fest, dass nur noch eine schulterlange Strähne auf jeder Seite herabfiel.
Agnes beobachtete alles von der Fensternische aus; ihre Miene war finster. Dass die ein Jahr Jüngere vor ihr heiratete, empfand sie als Schmach, und dass Elisabeth nun endgültig im Rang weit über ihr stand, war fast noch schwerer zu ertragen.
Nun noch die Schuhe aus weichem, weißgegerbten Leder mit den überlangen Spitzen. Und der Schmuck: Ein goldenes Ohrgehänge mit rundgeschliffenen Rubinen, die passende Halskette dazu und das
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