Die Tore des Himmels
Gott ist mit Euch! Der Feindt muß besiegt seyn, Damiett muß fallen! Die Saracenen haben den Ortt geschendet, wo der Gekreutzigte ruhte. Sein heyliges Grab wird von Hunden beschmutzt und von Ungläubigen bespuckt. Höret mich, Christen! Wer das Zeychen des Glaubens trägt, der muß dem Glauben auch Thaten folgen laßen. Gott liebt den Muth, und sey es auch nur, um eine Schlange zu töthen. Ihr Pilger im Zeichen des Creuzes, zerschmettert die greuliche Schlangen Brut! Selig die Schwertter in den Händen christlicher Ritter! Der Herr ist mit Euch! Schlagt das Heidenvolck! Gott will es!«
Obwohln der Mann diese Red in welscher Sprach gehalten, schworen späther viele Ritter auß aller Herren Länder, sie hätten Wort für Wort verstanden. Es war wie ein Wunder – alle wurden mit gerißen vom Anblick dießes beseelten Mönchs, kleyn von Gestalt, häßlich von Angesicht, jemmerlich dürr und mit rot entzündeten Augen, der vom Himmel wohl die Gabe erhaltten hatte, in Zungen zu reden. Ich selber verstand ihn nit – aber mit meiner groszen Sünd war ich wohl nit im Stand der Gnade und hatte nit das Recht, Gottes Wortt durch den Mund dißes welschen Mönchs zu hören. Sein Name war, wie mir späther ertzelt wurd, Franciscus aus Assisi.
Nach der Rede des Welschen schöpften unßre Kämpfer durch göttliche Hülfe neuen Muth und neue Krafft. Wir machten Aufstellungk zum Angriff und durchprachen die feindlichen Linien. Die Mußelmanen flohen zurück in die Stadt Damiet.
Noch einen zweitten Angriff auf unßer Lager versuchten die Saratzenen, und dies Mal rettete unß der Einbruch der Nacht. Und dann kam Gots Hülfe, wie Franciscus von Assisi es versprochen hatte: Egypten wurd von einer Hungers Noth heimgesucht, die Mußelmanen waren knapp an Nachschub. Da both der neue Sultan, al Kamil, der war der Sohn des alten, unß an, die Stadt Jerusalem auszuliefern, sofern wir nur auß seinem Landt abzögen. Unßre Heerführer, allen voran König Johann von Brienne, wollten dem Sulthan genug thun, doch der Legat des Papstes, Herr Pelagius von Albano, weigerte sich mit aller Macht und behielt nach kurtzem Streitt die Oberhandt. Wir plieben.
Und in der That, Hunger und Seuchen setzten den Belagertten in der Stadt gewalthig zu, sie wurden schwach und schwächer. Alß wir deßen gewahr wurden, wagten wir den Angriff. Am Dienßtag nach Allerseeln des Jahrs 1219 bestürmten wir mit lezter Krafft die Stadt, mit allem, was wir hatten: Pleyden, Widdern, höltzernen Thürmen, Leittern und Hakenseilen. Ich war einer der erßten, die den Fuß über die Mauer setzten, und ich bezahlte meinen Vorwitz mit einer Wunde quer über die Brußt. Obschon ich schwer bluthete, war ich unther denen, die die Stadt durchkämmthen und alle erschlugen, die sich noch wehrten. Es war der gelobte Tributh, den ich für den Mord an meines Weibes Beyschläfer zahlte. So viele Heidenseelen gegen die meine. Gott mag es mir dereinst lohnen, wenn es denn sein Wille ist. Ich frage mich dennoch: Ist es recht, den Tod von Heiden auffzuwiegen gegen den eines Christen? Kann der Mensch Mord mit Mord abgelthen, Bluth mit Bluth fortwaschen? Ich dencke an die spätern Worte des guten Herrn Wolfram: »Die nie mit dem Glauben der Taufe in Berührungk kamen, ist’s eine Sünde, dass man sie erschlug wie Vieh?« Ich meine ja – doch mag darüber ein anderer urtheilen, ich kann es nit, Gott vergebe mir …
Gisa
I ch saß mit meinem Stickrahmen in der Fensternische der kleinen Turmstube, die in der Nähe der Landgrafenkemenaten lag und nach Süden hinausging. Das war damals mein Lieblingsplatz, man wurde von niemandem gestört, wenn man seine Ruhe haben wollte. Während ich so vor mich hin stichelte, hörte ich plötzlich Stimmen von nebenan, zuerst ruhig, dann laut, es klang fast wie ein Streit oder zumindest eine Meinungsverschiedenheit. Eine Tür wurde aufgerissen, Schritte näherten sich, und plötzlich trat Ludwig in die Stube. Bevor er die Tür schließen konnte, kam seine Mutter, die Landgräfin, ihm nachgeeilt. »Ja, lauf nur vor mir weg«, sagte sie ungehalten. »Das nützt dir gar nichts. Manchmal verstehe ich einfach nicht, was in dir vorgeht. Du kannst es nicht immer wieder aufschieben.«
»Ich bin der Landgraf von Thüringen«, erwiderte Ludwig bockig. »Und ich kann.«
Die beiden sahen mich nicht, weil man schon die dicken Wintervorhänge vor meine Nische gehängt hatte, die mich halb verbargen. Gerade wollte ich aufstehen und mich bemerkbar machen, da stritten
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