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Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)

Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)

Titel: Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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Burschen mitgenommen hatte. Er musste wissen, dass dieser hier Shachin nicht das Wasser reichen konnte und ihr im Fall der Fälle nicht einmal annähernd gewachsen war. Ein weiteres, sinnloses Opfer, denn tot war der Schüler vor ihr bereits, auch wenn er das noch nicht wusste. Eine zweite Möglichkeit, die Shachin erst einige Augenblicke später in den Sinn kam, war, dass die Skorpione noch einen weiteren Auftrag in Leuenburg hatten. Einen, der weitaus weniger praktischer Kampferfahrung bedurfte als der, eine der ihren zur Strecke zu bringen. Wenn dem so war, dann hatte es der Skorpion vor ihr gar nicht auf sie abgesehen. Und dennoch, Shachin konnte kein Risiko eingehen.
    Mit einem nur für sie hörbaren Seufzen schloss sie ein wenig weiter auf. Es war Zeit, diese Jagd zu beenden. Ihre Hand glitt zum Dolch. Noch ein wenig weiter und die Schatten eines großen Gebäudes würden die beiden verschlucken und nur einen von ihnen wieder gehen lassen. In dem Moment, als Shachin die Jagd beenden wollte, war ihr Opfer plötzlich verschwunden. Sofort hatte sie das dumpfe Gefühl, in eine Falle geraten zu sein. Sollte ihr etwa ein ähnlicher Fehler wie ihrem Opfer von heute Nacht unterlaufen sein? Shachin hielt inne und lauschte. All ihre Sinne waren zum Zerreißen gespannt. Es war keine Falle. Sie wusste, dass ihr Opfer noch in der Nähe war, und sie wusste auch, dass es von ihrer Anwesenheit nichts mitbekommen hatte. Das ist dein Unterschlupf erkannte Shachin schmunzelnd. Sofort machte sie einen Schritt zurück und verschwand nun ihrerseits im Dunkel der Schatten. Immerhin war es möglich, dass er sie unbewusst zum Nest der Skorpione geführt hatte. Es widersprach zwar allen Regeln der Kunst, doch würde sie das jetzt auch nicht mehr wundern. Völlig sicher war sie sich jedoch nicht und so entschied sie, zu warten. Eine Flucht war für den jungen Skorpion nicht möglich, und Shachin würde vor dem Versteck ausharren und beobachten.
    Die Zeit verging quälend langsam. Der Regen hatte aufgehört und das Grau in Grau des Tages war dem schwarzen Leichentuch der Nacht gewichen. Alles lag still da, war doch die letzte Stunde vor Sonnenaufgang immer die ruhigste. Man könnte meinen, der angehende Tag hole vor seinem Beginn nochmals tief Luft, um dann umso frischer und strahlender durch das Dunkel der Nacht zu brechen. Es würde bald zu dämmern beginnen und noch immer lag der Skorpion in seinem Versteck und rührte sich nicht. Der Mondschatten des großen Hauses überragte die komplette Gasse und von der Sonne war noch nichts zu sehen. Es war ein großes Lagerhaus, in dessen Windschatten sich der Skorpion versteckt hielt. Lange hatte sie beobachtet, und nach und nach kam sie zu dem Schluss, dass er irgendwo in der Nähe des Eingangs seinen Unterschlupf hatte. Sicherlich gab es auch noch andere Möglichkeiten, doch keine war so gut wie jene, in der Shachin den Skorpion vermutete. Jetzt reduzierte sich alles auf die Geduld. Abwarten und im richtigen Moment zuschlagen. Er musste sich vollkommen sicher fühlen, nur dann war ein Erfolg garantiert. Shachin kannte derartige Situationen und wusste genau, dass man der inneren Stimme, so weise und vernünftig sie auch klingen mochte, nicht nachgeben durfte. Er war noch da, ganz sicher. Und mit ihm die Chance für Shachin, das Kräftegleichgewicht wieder etwas zu ihren Gunsten zu verschieben. Dann kam er endlich, der Moment zum Losschlagen. Shachin erhob sich aus ihrem Versteck und glitt lautlos auf die andere Seite der Gasse. Kein Geräusch und auch kein Schattenspiel verrieten ihre Bewegungen und dennoch, plötzlich rührte sich etwas dicht vor ihr. Sie hielt den Atem an, der Dolch lag schon wie von selbst in ihrer Hand. Der Skorpion bewegte sich. Er verließ sein Versteck. Shachin konnte ihn jetzt im fahlen Dämmerlicht gut erkennen und heftete sich sofort an seine Fersen. Nun musste es schnell gehen. Mit ein paar großen Schritten war sie fast an ihn heran, als der Skorpion plötzlich eine kleine Seitentür des Lagerhauses öffnete und darin verschwand. Leicht irritiert verfolgte Shachin unmittelbar hinter ihm kommend das Ganze, und ohne lang zu überlegen, huschte auch sie lautlos durch die Tür.
    Im Lagerhaus war es dunkel. Keine Fackeln oder Öllampen brannten und nur durch kleine Ritzen in den Holzwänden drang diffuses Licht von außen. Irgendwo weiter vorne erkannte Shachin auf einmal ein kleines, flackerndes Licht. Sie ging in die Hocke. Plötzlich hallten Rufe durch die weiten

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