Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)
wissen.
Fragen hatte er viele, doch fehlten ihm die Antworten. Er nahm sich fest vor, diese Themen morgen mit Hauptmann Taris zu besprechen. Für heute war genug gekämpft, sei es mit der Klinge oder der Feder. Die süße Stimme des Schlafes sprach immer verlockender zu ihm und nach einem letzten, abschließenden Blick in den Zeughof ließ er sich schlussendlich auch auf sein Lager sinken. Ruhe kehrte in der Garnison von Leuenburg ein, und auf ihren Schwingen trug sie die Seelen jener Tapferen zu den ewigen Vorvätern, deren Körper morgen den Flammen übergeben werden sollten.
Skorpion
V on seinem Versteck aus hatte er einen hervorragenden Blick über Leuenburg. Die Stadtwachen suchten ihn seit mehreren Tagen erfolglos, und das sollte auch so bleiben, dafür würde er sorgen. Er konnte ihre berittenen Trupps sehen und wusste, wann er sich wo aufzuhalten hatte. Ihnen aus dem Weg zu gehen, war ein Leichtes, und manch eine Patrouille wäre wohl nicht mehr zurückgekehrt, hätte er sich nicht vorgenommen, unentdeckt zu bleiben. Der Auftrag war erledigt, wenn auch zu einem höheren Preis als zunächst angenommen. Leuenburg würde von nun an unruhig sein und die Angst den Offiziellen im Nacken sitzen. Bisher meinten sie, die Gefahren zu kennen, denen ein Herzogtum im Reich ausgesetzt war, doch nun mussten sie mit etwas umgehen, das sie nicht kannten. Unsicherheit hing wie eine unheilvolle Glocke über der Stadt, Asaya konnte sie förmlich riechen. Er war zufrieden mit seinem Werk und bis auf einen kleinen Wehmutstropfen blieb Nichts, was seine Stimmung trüben konnte. Zwar hätte er zu gerne noch diesem Eulenweib die Kehle durchgeschnitten, was ihm ja beinahe auch gelungen wäre, aber man konnte eben nicht alles haben. Außerdem war das, was jetzt kam, gewaltig. Zu gewaltig, als dass er sich noch über derlei Nichtigkeiten aufregen wollte. Die zweite Stufe des großen Planes war eingeleitet und jetzt musste er die ihm zugedachte Aufgabe erfüllen. Das Paket würde sich bald auf den Weg machen, und er musste dafür sorgen, dass es Leuenburg sicher und unbeschadet erreichte. Für den Bruchteil einer Sekunde lief es selbst ihm kalt über den Rücken, als er daran dachte, was die alte Herzogstadt noch vor sich hatte, doch dann huschte ein siegessicheres, kaltes Lächeln über sein Gesicht. Im nächsten Moment stand er lautlos auf und verschmolz sofort, einem Schatten gleich, mit dem Dunkel und dem Zwielicht zwischen den Bäumen.
E N D E
Ausblick
Schreie in der Dämmerung und überall Feuer. Feuer und Rauch. Liam hielt seine Familie fest an sich gedrückt. Seine Frau sah sich immer wieder verwirrt und zutiefst verängstigt nach allen Seiten um, und Nalia, seine Tochter, vergrub ihr Gesicht tief in seinem Wams. Er wusste nicht, was geschehen war, doch sah er deutlich die Hütten im Westen des Dorfes brennen. Schatten bewegten sich dazwischen, huschten von einem flackernden Feuerschein zum anderen. Rufe hallten durch das graue Zwielicht, das dem Beginn des Tages voranging, und Waffengeklirr drang die kleine Anhöhe zur Mitte des Dorfes herauf. Noch ließ das Inferno auf sich warten, doch schon bald würde es auch ihre Hütte erreichen, da war sich Liam sicher. Menschen rannten an ihnen vorbei, in Panik, in Angst und Schrecken versetzt. Manche waren blutverschmiert, mit leeren Blicken und die Gesichter schmerzverzerrt. Liam war wie versteinert, paralysiert, und etwas zwang ihn dazu, sich Alles mit anzusehen. Er wollte weglaufen, seine Familie mit sich reißen und einfach wegrennen, doch er konnte es nicht. Noch nicht. Er musste wissen, was hier passierte. Plötzlich trat jemand an seine Seite und packte ihn an der Schulter.
Ausschnitt aus: 2. Episode – Dämmerung
Bereits erschienen
1. Episode - Dunkle Gassen (Wilderland)
2. Episode – Dämmerung (Leuenburg)
3. Episode - Ferner Donner (Wilderland)
4. Episode - Grüfte und Katakomben (Leuenburg)
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