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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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gesprungenen, beutelartigen Stiefel, die Chris und Meg ihm im Austausch gegen seine eleganten Reitstiefel gegeben hatten. Was es auch sein mag, wenn es Geld einbringt und nicht allzu illegal ist, nehme ich es an - jedenfalls einstweilen, bis ich mich in diesem verwünschten Jahrhundert auf eigene Füße stellen kann.
    Der alte Mann stieß den Vorhang zur Seite und ging fort, ohne den Jungen oder Doyle eines Blickes zu würdigen, und Doyle, der ihm nachblickte, bis er in der Menge untertauchte, war unfähig zu erraten, ob der Alte erfreut oder enttäuscht war. Mittlerweile war der Junge eingetreten, und bald hörte Doyle ihn fröhlich lachen. Im Nu war er wieder draußen und tanzte mit einem nagelneuen Shilling in der Hand davon - und, wie Doyle bemerkte, mit einem Kreidezeichen, das vorher nicht dagewesen war, auf dem Rücken seiner zu großen Jacke: einem Kreuz in einem Kreis.
    Er blickte wieder zur Schaustellerbude und begegnete dem geschickt manipulierten Blick der weiblichen Geisterpuppe, die aus dem Vorhang zu ihm herausspähte. »Komm spielen in meinem Lebkuchenhaus!« flüsterte sie und zwinkerte ihm zu.
    Der Junge bekam einen Shilling, sagte er sich, als er nähertrat - und ich werde meine Jacke hinterher nach Kreidezeichen untersuchen.
    Die Puppe verschwand einen Augenblick bevor Doyle den Vorhang beiseite schob und eintrat. Das Innere war dunkel, aber er konnte einen kleinen Hocker ausmachen, auf den er sich niederließ.
    Sobald seine Augen sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, konnte er die Silhouette eines Kopfes mit einem hohen, spitzen Hut und eines Oberkörpers in einer Jacke mit grotesk gepolsterten Schultern erkennen; die Gestalt war kaum zwei Schritte entfernt, beugte sich zu ihm, und er wußte, daß er seinen Gastgeber vor sich hatte. »Und nun der ruinierte Ausländer«, ertönte eine flötende Stimme, »der versucht, sich in einem fremden Land zwanglos zu benehmen. Woher kommen Sie?«
    »Ah... Amerika. Und ich bin mittellos. Wenn Sie mir also eine Stellung anbieten können, wäre ich - gaah!«
    Der Schieber an einer verdunkelten Laterne war zurückgezogen worden, und die Silhouette enthüllte sich plötzlich als ein Clownsgesicht, schrecklich bemalt mit roter und grüner und weißer Farbe, dessen entzündete Augen schielten und weit geöffnet waren und das zwischen aufgepusteten Backen eine erschreckend lange Zunge herausstreckte. Es war derselbe Harlekin, den er vorher auf Stelzen durch das Marktgewimmel hatte tappen sehen, das Original zur Puppe des Harlekin.
    Die Zunge verschwand im Mund und das Gesicht entspannte sich, doch selbst im Ruhezustand machte die Bemalung es unmöglich, seinen Ausdruck zu erraten, oder auch nur seine Form genauer zu erkennen. Der Clown hockte mit untergeschlagenen Beinen auf einem Hocker, der etwas höher war als Doyles. »Ich sehe, daß Sie Ihren Holzstoß nahezu aufgebraucht haben«, sagte der, »und drauf und dran sind, die Stühle und Vorhänge zu verheizen, sogar die Bücher. Sie können von Glück sagen, daß ich Ihnen heute begegnet bin - morgen oder übermorgen wäre nicht mehr viel von Ihnen übrig gewesen.«
    Doyle schloß die Augen und wartete, bis sein Herzklopfen nachließ. Es beunruhigte ihn, daß schon diese karge Bekundung von Mitgefühl ausreichte, ihn zu Tränen zu rühren. Er seufzte tief und öffnete die Augen. »Wenn Sie ein Angebot zu machen haben«, sagte er leise, »tun Sie es.«
    Der Clown grinste und zeigte gelbe Zähne, die in verschiedene Richtungen wiesen, wie Grabsteine auf einem alten, verwahrlosten Friedhof. »Ich sehe, Sie sind noch nicht so weit, daß Sie die Dielenbretter herausreißen«, bemerkte er anerkennend. »Gut. Sie haben, Sir, ein empfindsames und intelligentes Gesicht; es ist klar, daß Sie eine gute Erziehung genossen haben, und daß Sie abgerissene Kleidung wie diese nicht gewohnt sind. Haben Sie sich jemals für das Theater interessiert?«
    »Ah... nein, nicht besonders. Während meiner Schulzeit war ich in ein oder zwei Vorstellungen.«
    »Meinen Sie, daß Sie eine Rolle einstudieren, ein Publikum einschätzen und Ihre Rolle nach seinem Geschmack verändern können, um so den Typ darzustellen, der ihm am sympathischsten wäre?«
    Doyle hatte keine Ahnung, was gespielt wurde, doch regte sich schüchterne Hoffnung in seiner Brust. »Ich denke schon, wenn ich zuerst eine Mahlzeit und ein Bett bekommen könnte. Ich weiß bestimmt, daß ich auf der Bühne kein Lampenfieber bekomme, weil...«
    »Die

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